Dhampir - Seelendieb
der Rauchabzug zwischen Magieres und Leesils Zimmer nach oben und wärmte beide Räume. Calebs Zimmer lag am Ende des Flurs, und darin führte eine Tür auf der linken Seite zum vierten und letzten Raum, in dem seine Enkelin Rose schlief.
Die Einrichtung von Magieres Zimmer bestand aus einem schmalen Bett mit einer Gänsedaunendeck e – ein Geschenk von Arias Mutte r – , einem kleinen Tisch und einer Truhe. Sie öffnete die Truhe, um ihr altes Bündel aus der Zeit hervorzuholen, als sie mit Leesil durch das Hinterland von Strawinien gezogen war. Aber natürlich war es zusammen mit allem anderen verbrannt.
So viel war verloren gegangen. Das blaue Kleid existierte nur deshalb noch, weil sie sich in der Nacht des Brandes in der »Samtrose« umgezogen und es bei Loni zurückgelassen hatte. Leesil waren praktisch nur seine Waffen geblieben, aber er schien kaum etwas anderes zu brauchen. Er reiste immer mit wenig Gepäck.
Magiere hob die Hand zu den beiden Amuletten an ihrem Hals. Handwerkszeug. Der Topas glühte, wenn ein Edler Toter in der Nähe weilte, gab aber keine Wärme a b – sie musste ihn sehen, wenn seine Warnungen sie erreichen sollten. Das andere Amulett war seltsamer: ein halbes Oval aus Knochen auf Zinnblech. Sie hatte es nur einmal benutzt. Besser gesagt: Leesil hatte davon Gebrauch gemacht.
Ein Fremder namens Welstiel Massing hatte ihm seine Funktion erklärt und ihnen beiden Hinweise in Bezug auf die Edlen Toten gegeben. Einem Dhampir, der so schwer verletzt war, dass er Blut brauchte, musste man das Amulett auf die nackte Haut legen, damit die Lebenskraft richtig aufgenommen werden konnte. Leesil hatte diesen Rat des Fremden beherzigt, bevor er ihr sein Blut zu trinken gab. Manchmal hatte Magiere den Wunsch verspürt, die beiden Amulette einfach wegzuwerfen, aber sie brachte es nicht fertig. Sie und das Falchion waren die einzigen Dinge, die ihr von ihrem Vater geblieben waren.
Sie war in Dröwinka geboren und hatte ihren Vater nie kennengelernt, während ihrer Kindheit aber das eine oder andere über ihn erfahren. Als reisender adliger Vasall hatte er zu den Leuten gehört, die für die hohen Herren die Bauern beaufsichtigten und Abgaben für das gepachtete Land sammelten. Manchmal blieb er Monate oder gar Jahre an einem Ort, aber schließlich zog er im Auftrag seiner Gebieter weiter. Man hatte ihn immer nur am frühen Abend gesehen, wenn das Licht des Tages der Dunkelheit wich und er alle Leute nach der Arbeit in ihren Häusern und Hütten antreffen konnte. Magieres Mutter war eine junge Frau aus einem Dorf unweit des Anwesens des Barons. Der Adlige nahm sie als seine Mätresse, und fast ein Jahr lang sah man sie nur noch sehr selten.
Sie hieß Magelia und starb bei der Geburt von Magiere. Ihr Vater erhielt die Anweisung, ein anderes Lehensgut aufzusuchen, und er ließ seine kleine Tochter bei der Schwester ihrer Mutter zurück, Bieja. Magelia war schön gewesen, mit langem, schwarzem Haar, ohne den rötlichen Glanz darin, der sich gelegentlich in Magieres Haar zeigte. Man sagte ihr auch ein ruhiges und sanftes Wesen nach. Magiere sah zwar wie ihre Mutter aus, hatte jedoch ein ungestümes Temperament. Während ihrer Kindheit kamen ihr immer wieder Gerüchte zu Ohren, nach denen ihr Vater ein übernatürliches Ungeheuer war, das den Tag fürchtete. Die Dorfbewohner hassten und mieden sie, mit Ausnahme ihrer Tante. Als sie sechzehn wurde, gab Bieja ihr etwas, das von ihrem Vater stammte: zwei Amulette, eine Lederrüstung und ein Falchion mit sonderbaren Symbolen am Heft. Magiere nahm das Erbe ihres Vaters entgegen und kehrte dem Dorf schließlich den Rücken, um allein in der Welt zurechtzukomme n – bis sie Leesil traf.
Inzwischen wusste Magiere, dass ihr Vater ein Edler Toter gewesen war. Aus irgendeinem Grund hatte er ihr Waffen hinterlassen, mit denen sie gegen seine eigene Art kämpfen konnte. Der Grund dafür war ihr noch immer ein Rätsel.
Die Zeit mit Tante Bieja lag inzwischen lange zurück. Magiere saß in ihrem neuen Zimmer und lehnte den Kopf an den Rand der offenen Truhe. Es gab nur wenige Dinge, die sie packen musste. Die Einnahmen dieses Abends würden bei Caleb bleiben, damit er den »Seelöwen« bis zu ihrer Rückkehr führen konnte.
Sie glaubte, draußen im Flur leise Schritte zu hören, und Leesils Tür öffnete und schloss sich.
Toret lag auf einem malvenfarbenen Samtdiwan in seinem luxuriös eingerichteten Wohnzimmer und war recht zufrieden mit dem Stand der Dinge. Er
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