Dhampir - Seelendieb
schweifen. Leesil kannte sie gut genug, um zu wissen, dass der entscheidende Moment gekommen war. Entweder sagte sie den Stadträten, dass sie ihr Angebot verbrennen und sich die Asche in die Haare schmieren konnten, oder sie versuchte, die Situation unter Kontrolle zu bringen.
Chap jaulte und drückte die Schnauze gegen ihre Hand. Sie sah auf ihn hinab, und Leesil beobachtete, wie Hund und Frau einen langen Blick wechselten. Magiere lächelte schief und strich Chap über den Kopf. Dann sahen ihre dunklen Augen wieder zum Rat, und sie ging langsam am großen ovalen Tisch entlang.
»Einer von euch hat seine Tochter auf eine so erschreckende Weise verloren, dass ihr es für richtig gehalten habt, mich um Hilfe zu bitten. Wenn sie mit aufgerissener Kehle starb, habt ihr es entweder mit einem übernatürlichen Ungeheuer oder einem Wahnsinnigen zu tun. Ich nehme an, dass eure Wächter mit einem Verrückten fertig werden können, womit klar sein dürfte, warum ich hier bin.« Ihr Blick wanderte über Au’shiyn hinweg, ohne bei ihm zu verharren. »Wenn es sich um einen Untoten handelt, so braucht ihr mic h – und sie.« Sie deutete auf Leesil und Chap. »Wir sind nur deshalb hier, weil ihr uns genug Geld angeboten habt, Miiska vor dem Ruin zu bewahren. Das Angebot wurde angenommen. Jetzt könntet ihr euch darauf beschränken, unsere Fragen zu beantworten und uns ansonsten nicht in die Quere zu kommen.«
Als Magiere schließlich neben Lanjow stehen blieb, schwieg selbst Au’shiyn. Leesil unterdrückte ein Lächeln. Keiner dieser Männer war an so offene Worte gewöhnt.
»Wir haben bereits ein Quartier bezogen«, teilte Magiere Lanjow mit. »Es wäre wenig sinnvoll, uns von Wächtern zu einem luxuriösen Gasthof begleiten zu lassen. So etwas würde unnötige Aufmerksamkeit erregen.«
Lanjows Verwirrung wuchs. »Es sind Vorbereitungen getroffe n … «
»Lasst euch das gezahlte Geld zurückgeben«, sagte Magiere. »Und ich möchte nicht bis morgen früh warten. Die Spur ist bereits kalt. Wir besuchen dein Haus heute Abend.«
»Mein Haus?«, wiederholte Lanjow unsicher. Daran hatte er offenbar noch nicht gedacht, aber dann nickte er langsam. Vermutlich glaubte er, dass sie eine übernatürliche Methode der Spurensuche verwendete.
»Heute Abend«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir brauchen die Adresse. Eine Eskorte wollen und brauchen wir nicht.«
»Natürlich«, erwiderte Lanjow. »Der Sekretär gibt dir alle notwendigen Informationen.«
Magiere drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür, an Doviak vorbei, der mit offenem Mund dastand, gefolgt von Leesil und Chap. Vor dem Wächter an der Tür blieb sie kurz stehen.
»Mein Schwert«, sagte sie.
Der Mann gab es ihr, und Magiere ging weiter. Sie blieb erst stehen, als sie die Terrasse des Rathauses erreichte, schloss dort die Augen, lehnte sich an die steinerne Brüstung und atmete tief durch.
»Wie die Oberhäupter der Dörfer«, sagte sie, aber es klang ein wenig unsicher. »Ganz gleich, wie zornig sie sin d … Tief in ihrem Innern haben sie Angst. Sie wollen, dass jemand anders ihren Kampf führt.«
»Glaubst du, dass es sich wirklich um einen Untoten handelt?«, fragte Leesil.
»Keine Ahnung. Um Miiskas willen sollten wir es besser hoffen.«
»Ein trauriger Gedanke«, erwiderte Leesil. Dann straffte er betont dramatisch die Gestalt. »Nun, du bist heute schon einmal den Wölfen gegenübergetreten. Ich lasse mir den Weg zu Lanjows Haus erklären.«
»Ja«, sagte Magiere. »Und dann beginnen wir mit der Jagd.«
Er musterte ihr blasses Gesicht, sah das Haar, den Mund und die Augen, die ins Leere starrten, voller Gedanken, die er nicht berühren konnte. Wenigstens hatte sie eine endgültige Entscheidung getroffen. Er würde dafür sorgen, dass sie alles bis zum Ende durchstand und es nach Hause zurück schaffte, ganz gleich, was zwischen ihnen geschehen mochte.
»Ja, dann beginnen wir mit der Jagd.«
Welstiel Massing wartete in einer Ecke von Ratsmitglied Lanjows Büro. Er wusste, dass die stattfindende Versammlung bald zu Ende gehen würde, und anschließend kehrte Lanjow immer hierher zurück. Schließlich öffnete sich die Tür.
Lanjow wirkte erschöpft und abgespannt. Er ging zu seinem Schreibtisch, ließ sich auf den Stuhl sinken und zog an einer von der Wand hängenden Samtkordel.
Doviak sah zur Tür herein. »Ja, Herr?«
»Ich möchte den Auftrag für die Jägerin zurückziehen. Finde heraus, in welchem Gasthof sie wohnt, und lass ihr eine
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