Dhampir - Seelendieb
Sonnenschein.SelbstinschwerenZeitenwarendieMenschenbereit,sichabendseinenKrugBieringuterGesellschaftzugönnen.Der»Seelöwe«stellteFröhlichkeitundGewinninAussicht,aberderzeitwarMagierenichtzumLachenzumute.
Chap lief zur Eingangstür und wartete davor, doch Magiere zögerte.
Irgendwo in dem Gebäude war Cale b – der alte Verwalter, den Magiere und Leesil geerbt hatte n – vermutlich damit beschäftigt, Dinge in Ordnung zu bringen. Seine Enkelin, die kleine Rose, spielte in ihrem neuen Zimmer und wartete dort sicher auf Chap, ihr Lieblingsspielzeug.
Dieser Tag lastete bereits schwer auf Magiere. Sie dachte an das, was im Lauf des Nachmittags noch erledigt werden musste, bevor der »Seelöwe« am Abend öffnen konnte.
DieErinnerungenandenKampfgegendieVampireunddiedamiteinhergegangenenEnthüllungenließenMagierenochimmernichtzurRuhekommen.IndemsiesichderWahrheithinterihremLebenausTäuschungundLügengestellthatte,warsiemitDingenkonfrontiertworden,diebisdahintiefimVerborgenengelegenhatten.BeidiesemKampfhattesiesichverändertundEigenschaftenentwickelt,diesonstnurVampirebesaßen.IhreZähnewarenlängerundspitzergeworden,undsiehatteihreWundendurchdasTrinkenvonBlutheilenkönnen.Siewarentsetztgewesen,hatteabergewusst,dassdieVeränderungennötigwaren,umihreigenesÜberlebenzugewährleistenundLeesilzuschützen.JeneschwereZeithattesieeinandernäherkommenlassen.
Magiere fühlte sich plötzlich kalt und wie bloßgestellt.
Zum Schluss war Leesil so schwer verletzt worden, dass sie ihn pflegen musste, bis er wieder gehen konnte. Dabei sprachen sie kaum über ihre Erfahrungen, denn Magiere hielt es für besser, alles hinter sich zu lassen.
Und dann hatte er damit begonnen, jeden Morgen zu verschwinden. Vielleicht war es besser so. Magieres kühles Gebaren schien ihn zu beunruhigen, aber sein Leben war aufgrund der Verbindung mit ihr in Gefahr geraten, und eine gewisse Distanz war besser für ihn. Ein einsamer Gedanke, der jedoch der Wahrheit entsprach.
Magiere blickte nach Süden über die Küstenstraße, die aus der Stadt führte, hinauf in die bewaldeten Hügel landeinwärts. Leesil war spät dran.
»Erneuter Vorstoß«, sagte Chane und versuchte, nicht aus Langeweile zu gähnen. »Nein, Meister, halte die Klinge gerade und verlagere das Gewicht weiter nach hinten. Leg es nicht auf dein vorderes Bein.« Er parierte lässig, ohne die Blößen auszunutzen, die sich sein Gegner auch diesmal gab.
Toret, Chanes Schüler beim Schwertkampf und sein Herr in allen anderen Belangen, hielt verärgert inne.
»Mein Schwert ist gerade!«, erwiderte er scharf. Seine Stimme hallte von den Wänden des großen Kellers wider, den sie für die Übungen und andere heimliche Dinge leer geräumt hatten. »Warum wiederholst du das dauernd?«
Das zweistöckige Gebäude aus Stein gehörte zum vornehmen Viertel von Bela, Hauptstadt des Königreichs Belaski und sein wichtigster Hafen. Extravagant nach den Maßstäben des Mittelstands, entsprach es nicht unbedingt dem, woran Chane sein Leben lang gewöhnt gewesen war, und hinzu kam: Seit der Auferstehung von den Toten fühlte sich Chane in der Gesellschaft seines Herrn fehl am Platz.
Chane war erst seit kurzer Zeit ein Edler Tote r – ein Vampir, genauer gesag t – und erinnerte sich noch an die Barrieren zwischen den Klassen der Gesellschaft. In seinem Leben als Sterblicher war er ein einfacher Adliger einer entlegenen Baronie gewesen, vertraut mit der Politik und den sozialen Strategien der Oberschicht. Und jetz t – wie in den meisten bewussten Moment en – half er seinem Schöpfer, seinem Herrn, in der gesellschaftlichen Hierarchie aufzusteigen. Dieser Widerspruch erschien Chane mehr absurd als amüsant.
Chane war groß und hatte dichtes braunes Haar, das bis knapp unter die Ohren reichte. Er trug eine dunkle Hose, und der maßgeschneiderte, mitternachtsblaue Kasack darüber betonte die breiten Schultern über dem langen Oberkörper. Vier Sprachen beherrschte er, verfügte über die Bildung eines Adligen und war Autodidakt in weniger bekannten Künsten. Mit einem Schwert ging er so mühelos um, als wäre er damit geboren.
Darin lag die verachtenswerte Freude der neuen Existenz mit seinem Herrn .
Toret war dünnarmig, schien nicht älter als siebzehn und klein für sein Alter zu sein. Selbst gewaschen hatte seine Haut die Farbe von Schmutz, und das dunkelbraune Haar schien immer struppig und zerzaust zu sein. Narben zeigten sich an einem Handgelenk und auf der Wange. Er sprach recht gut
Weitere Kostenlose Bücher