Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Schlosses.
Dieses Gitter war kleiner als die anderen, und die Stäbe waren nicht ganz so dick, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte.
»Kannst du es schaffen?«, flüsterte Wynn.
Ihre Stimme überraschte ihn, und dann sah er ihre blauen Lippen. Er musste es schaffen. Sonst saßen sie in dem Tunnel fest.
Wynns Mund formte das Wort »Stab«, und sie kehrte ihm den Rücken zu.
Chane band den Stab los, und Wynn lehnte ihn an die Wand. Aber wie sollte er Schatten über Wasser halten, damit sie nicht trat und platschte?
Wynn hob den Rucksack auf ihre Schulter und klemmte ihn zwischen sich und der Tunnelwand ein. Dann streckte sie die Arme aus, und ihre Lippen formten ein weiteres Wort: Schatten .
Chane ließ die Hündin vorsichtig durchs Wasser gleiten, der jungen Weisen entgegen. In ihren Armen wand sie sich zuerst ein wenig hin und her, ließ sich dann aber festhalten.
Chane löste die Brechstange von seinem Gürtel.
Plötzlich zappelte Schatten und knurrte.
Chane versteifte sich unwillkürlich. Wynn versuchte, die Hündin ruhig zu halten, ohne Erfolg. Chane streckte die Hand mit der Absicht aus, Schattens Schnauze zuzuhalten, zögerte aber.
Schatten blickte durch den Tunnel und knurrte erneut.
Das Wasser geriet in Bewegung und schien zu brodeln, als rollte eine Flutwelle heran.
Etwas berührte Chane an den Fußknöcheln. Er hörte, wie Wynn nach Luft schnappte, und einen Moment später riss ihn etwas von den Beinen.
Er sank ins Wasser und verlor Wynn aus den Augen.
Schatten zappelte so sehr, dass Wynn sie nicht mehr festhalten konnte. Die Hündin kratzte an der Tunnelwand, schien zwischen Wynn und das brodelnde Wasser gelangen zu wollen. Wynn atmete schneller.
»Chane!«
Mit einer Hand drückte sie den Rucksack an die Wand und tastete im Wasser nach Chane. Schatten knurrte und schnappte, versuchte aber, an der Wasseroberfläche zu bleiben. Etwas Helles zeichnete sich in den wogenden Fluten ab.
Wynn wollte danach greifen, aber etwas stieg jenseits ihrer Reichweite aus dem Wasser, und es war nicht Chane.
Die mit Widerhaken versehene Spitze eines Speers kam nach oben.
Wynn riss die Hand zurück. Die Speerspitze war fast weiß, wie Chein’âs-Metall. Wasser spritzte, als Chane auftauchte.
Schatten stieß sich von der Wand ab, paddelte und schwamm vor Wynn.
Die junge Weise sah eine Gestalt hinter Chane, die einen seiner Rucksäcke hielt. Hinter sich hörte sie ein weiteres Platschen, versuchte aber, Chane zu erreichen.
»Chuillyon!«
Der Ruf erklang jenseits des Gitters und ließ Wynn zusammenfahren, doch sie hielt den Blick auf Chane gerichtet.
Sein Gesicht war zu einer Fratze des Zorns geworden, und seine Augen hatten jede Farbe verloren. Er drehte sich zu dem Angreifer um, als ein weiteres Paar Hände aus dem Wasser kam und nach seiner Taille griff.
Mit einem lauten Platschen verschwand Chane in den Fluten.
»Lasst ihn los!«, rief Wynn, langte hinter ihren Rücken und holte Magieres alten Dolch hervor.
Schatten ging mit einem kurzen Jaulen unter. Wynn ließ sofort den Rucksack los und sprang dorthin, wo sie eben noch die Hündin gesehen hatte.
Eine weitere Speerspitze kam aus dem Wasser und zielte direkt auf ihr Gesicht. Wynn wich aus, ihre Füße gerieten ins Rutschen, und sie stieß mit dem Rücken gegen das Gitter. Der Speer verharrte mit der Spitze an ihrer Kehle.
Zwei schlanke Arme streckten sich hinter ihr durchs Gitter.
»Nein, Frey!«, rief jemand. »Komm zurück!«
Die Arme schlangen sich um Wynn und hielten sie am Gitter fest.
Die Speerspitze schwebte so dicht vor ihr, dass sie es nicht wagte, mit dem Dolch zuzustoßen, um sich zu befreien. Ein dritter Arm strich an Wynns Kopf vorbei, und eine kleine, zarte Hand ergriff sie am Handgelenk.
»Lass den Dolch los, sofort !«, befahl jemand.
So scharf die Stimme auch sein mochte, sie stammte eindeutig von einer Frau, obwohl die um sie geschlungenen Arme einem Mann gehörten. Wynn öffnete langsam die Hand, und der Dolch wurde ihr aus den Fingern gerissen.
Schatten kehrte schnaufend an die Wasseroberfläche zurück, paddelte zur Tunnelwand und suchte dort nach Halt.
»Bitte«, sagte Wynn. »Lass mich ihr helfen!«
»Sei still!«, zischte die Frau auf der anderen Seite des Gitters.
Der Speer vor Wynn bewegte sich, vom Wasser umspült. Die Gestalt, die ihn hielt, richtete sich langsam auf. Das Erste, was Wynn von ihr sah, waren Dornen und Spitzen.
Sie saßen auf einem haarlosen Kopf, der langsam aus dem Wasser kam. Runde
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