Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
zurechtfand. Doch so gastfreundlich die Âreskynna auch sein mochten, auf ihre reservierte, ein wenig distanzierte Art und Weise, es musste bessere Möglichkeiten und interessantere Orte geben, auf das Essen zu warten. Reine wich einen Schritt zur Tür zurück und …
Âthelthryht drehte den Kopf, und ihre aquamarinblauen Augen sahen genau in ihre Richtung. Die schlanke und ranke Prinzessin bewegte sich, und dadurch wogte der Überrock aus weißem Flor, den sie über dem meergrünen Gewand trug. Sie schien an ihrem Bruder vorbeizu schweben und näherte sich der Tür des Saals.
Reine lächelte freundlich und murmelte leise vor sich hin: »Oh, hätte ich nur ein Pferd!«
»Pardon, Hoheit?«, erklang eine tiefe Stimme.
Überrascht sah sie zur Seite und dann nach oben, in die Augen eines Wearda an der Tür.
Drei Litzen auf seiner Panzerweste wiesen ihn als Offizier aus, doch seinen Rang konnte Reine nicht erkennen. Ein krauser Bart wuchs an Wangen und Kinn.
»Nichts«, sagte sie, räusperte sich und heuchelte Gleichgültigkeit. »Es ist nichts weiter.«
Der Wearda neigte den Kopf.
Reine wandte den Blick ab und starrte auf ein meergrünes Mieder. Rasch hob sie den Blick, bis sie in die Augen von Âthelthryht sah.
»Ich habe dich fragen wollen: Weißt du auch damit umzugehen?« Die Prinzessin deutete auf den Säbel an Reines Hüfte.
»Natürlich«, erwiderte die Herzogin vorsichtig und befürchtete eine abfällige Bemerkung.
»Hoffentlich hast du nicht vor, ihn hier im Saal zu benutzen«, sagte Âthelthryht. »Auch wenn du dich vielleicht von diesem Empfang trennen möchtest.«
Âthelthryhts Lippen deuteten ein mitfühlendes Lächeln an. »Du wärst mit diesem Wunsch nicht allein«, fuhr sie fort und seufzte kurz. »Ganz gleich, was unser Status von uns verlangt.«
Damit nahm Âthelthryht sanft Reines Arm und führte sie durch den vollen Saal.
Verwirrt und mit wachsendem Unbehagen wahrte Reine eine würdevolle Haltung. Viele Blicke trafen sie, und immer wieder wurde respektvoll genickt, als die beiden Frauen von königlichem Blut durch den Saal schritten.
»Wenigstens verhindern wir auf diese Weise die Jagd auf dich«, hauchte Âthelthryht. »Obwohl ich gehört habe, dass du keine Angst vor Raubtieren hast.«
Reine wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Als direkte Thronerbin mangelte es ihr zweifellos nicht an Verehrern.
Sie kamen an Prinz Leäfrichs Gruppe vorbei.
Er unterbrach sich mitten im Satz, doch die anderen schienen gar nichts davon zu bemerken und plapperten munter weiter. Leäfrich sah seine Schwester an und nickte kurz, wie um etwas zu bestätigten, von dem nur sie wusste. Dann ging sein Blick zum rückwärtigen Teil des Saals.
Ein Schatten der Sorge huschte über das Gesicht des großen Prinzen.
Reine versuchte, seinem Blick zu folgen, aber wem oder was er auch gegolten hatte: Es standen zu viele Leute im Weg.
Reine sah Onkel Jac bei König und Königin von Malourné. Er schenkte ihr ein Lächeln, das allerdings ein wenig gezwungen wirkte und in dem eine gewisse Sorge zum Ausdruck kam. König Leofwin, Hand in Hand mit Königin Muriel, sah zu seiner Tochter.
»Kümmerst du dich gut um unsere Cousine?«, fragte er.
»Natürlich, Vater«, antwortete die Prinzessin. »Als gehörte sie zu uns.«
Solche Bezugnahme auf die Familie war ein Zeichen des Respekts unter verbündeten Nationen, aber Reine fühlte sich von Unruhe erfasst, umso mehr als König Leofwin in die gleiche Richtung sah wie eben sein Sohn. Erneut versuchte Reine die Ursache ihrer Besorgnis zu erkennen.
Königin Muriel flüsterte ihrem Gemahl etwas ins Ohr, so leise, dass Reine nichts verstehen konnte. Leofwin ließ Schultern und Kopf hängen, schloss die Augen, und Muriel ergriff seine Hand mit beiden Händen.
»Komm«, sagte Âthelthryht. »Lass uns eine verteidigungsfähige Stelle mit mehr Platz zum Atmen finden.«
Reine folgte ihr verwundert.
Was ging hier vor? Und warum hatte auch Onkel Jac besorgt gewirkt?
An der Rückwand des Saals, vor einem großen Fenster mit mehreren Scheiben, stand ein zart wirkender junger Mann und kehrte allen den Rücken zu. Seine Kleidung war schlicht, aber elegant: ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln unter einer Weste aus meergrünem Brokat. Ganz allein schaute er nach draußen, und herabhängende Locken verwehrten einen Blick auf sein Gesicht. Die Schultern waren wie unter einem schweren Gewicht nach vorn geneigt, die Hände auf dem Fenstersims abgestützt.
Hatten die
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