Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
finanziellen Mittel – wenn er über welche verfügte – widmete er vor allem seinen intellektuellen Interessen. Aber von dem Moment an, als sein Blick zum ersten Mal auf dieses Schwert gefallen war, hatte er es besitzen wollen. Selbst wenn er Münzen gehabt hätte: Die meisten Zwerge wussten mit Edelmetall nicht viel anzufangen, und wie sollte er handeln, wenn er nichts über den Wert des Schwerts wusste? Und abgesehen von Geld … Es gab keine Waren oder Dienstleistungen, die er für die Klinge anbieten konnte. Stand sie überhaupt zum Verkauf?
Voller Sorge dachte er daran, was vor ihnen lag, insbesondere vor Wynn. Ihre Suche nach den Texten hatte sie bereits in gefährliche Situationen gebracht, obwohl es bisher noch nicht zum Kampf gekommen war. Doch das konnte sich ändern, wenn Wynn die Texte fand, denn die in ihnen enthaltenen Geheimnisse führten vermutlich zu weiteren, noch größeren Gefahren.
Um Wynns Sicherheit zu gewährleisten, musste Chane jeden sich bietenden Vorteil nutzen. Ein Schwert mit abgebrochener Spitze war noch immer ein Schwert, aber nicht zu vergleichen mit dem, das dort auf der Werkbank lag.
»Ich bringe keine Neuigkeiten«, sagte Wynn und nahm ihre ganze innere Kraft zusammen. »Aber wenn du mir hilfst, kann ich Erz-Locken eine Nachricht bringen – Worte, die ihn vielleicht veranlassen, hierher zu kommen.«
»Noch mehr Lügen!«, knurrte Splitter. »Du weckst falsche Hoffnungen, zu deinem eigenen Vorteil!«
»Benimm dich, Tochter«, mahnte Mutter Eisenborten. »Sie ist eine Weise, und wahrscheinlich kam sie im Auftrag von Hochturm zu uns.«
»Mutter, bitte«, erwiderte Splitter. »Nach all den Jahren hätte Hochturm selbst kommen können. Aber das ist nicht der Fall. Diese hinterhältige Kritzlerin ist nicht wegen Hochturm hier, auch nicht, weil deine Gebete an die Ewigen erhört wurden. Deine Söhne sind fort. Erz-Locken wird nicht zurückkehren!«
Wynn beobachtete eine Veränderung im Gesicht der Schmiedin. Die letzten Worte schienen ihr herausgerutscht zu sein, und vielleicht bereute sie sie jetzt.
Die Bemerkung über Hochturm hatte kummervoll geklungen, als wünschte sie die Heimkehr wenigstens eines Bruders. Aber bei den anderen Worten hatte ein solcher Klang gefehlt. Glaubte Splitter wirklich, dass Erz-Locken nie zurückkehren würde – oder wünschte sie sich das?
Mutter Eisenborten sah nicht einmal auf.
»Deine Tochter hat in einem Punkt recht«, sagte Wynn. »Domin Hochturm hat mich nicht geschickt.«
Die alte Zwergin ließ die Schultern hängen, und ihre Hoffnung wich bitterer Enttäuschung. Wynn fühlte sich noch schuldiger und hatte plötzlich einen schlechten Geschmack im Mund.
Was auch immer Splitter antrieb … Ihre Mutter fühlte sich ganz offensichtlich sehr einsam. Und sowohl die Wahrheit wie ihr Plan würden hier Schaden anrichten. Wynn konnte nur versuchen, einen vorsichtigen Mittelweg zu beschreiten.
»Habt ihr bei Erz-Lockens früheren Besuchen bemerkt, welchen Weg er nahm?«, fragte sie.
»Wenn ich das wüsste, wäre ich längst zu ihm gegangen«, grollte Splitter.
»Beim Bruch-Markt«, sagte Mutter Eisenborten. »In der zweiten Ebene, den Bruch-Hauptweg hinunter.«
Splitter keuchte auf.
Chane zuckte zusammen.
Das Ungeheuer in ihm richtete sich halb auf, plötzlich wachsam geworden. Chanes Blick ging vom Schwert auf der Werkbank zu Splitters verblüffter Miene.
Die Schmiedin hatte die Augen so weit aufgerissen, dass die schwarzen Pupillen in Weiß gebettet waren. Ihre letzten Worte hallten in Chane wider.
Wenn ich das wüsste, wäre ich längst zu ihm gegangen.
Es war eine Lüge, zumindest eine halbe. Sie wusste etwas über den Aufenthaltsort ihres Bruders.
»Ich glaube, er kam von dort«, sagte die alte Zwergin. »Ich bin meinem Sohn einmal gefolgt, habe ihn aber beim Stand eines Tuchhändlers aus den Augen verloren. Ein Schuster war ebenfalls in der Nähe, wenn ich mich recht entsinne. Ich konnte nicht mit ihm Schritt halten, und plötzlich verschwand er.«
»Wann war das?«, fragte Splitter. Sie schluckte und versuchte, gefasst zu wirken, aber in ihrem einen Augenwinkel zuckte es.
»Vor Jahren, bevor seine Besuche ganz aufhörten«, antwortete die Mutter. »Du warst beschäftigt. Du bist immer beschäftigt.«
»Ich habe mich um unsere Bedürfnisse gekümmert«, erwiderte die Tochter. »Im Gegensatz zu deinen beiden Söhnen.«
Mutter Eisenborten hob die Brauen. »Dann kümmere dich auch jetzt darum!«
Splitter richtete den
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