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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder und beugte sich tiefer, als fiele ihm ein Detail auf, das er bisher übersehen hatte. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Zu Anfang war ich von einer Vergiftung ausgegangen. Sicher ist Euch die graue Haut und das Fehlen von Verletzungen aufgefallen.«
    Rodian blieb still und starrte auf den offenen Oberkörper des Mädchens.
    »Ich habe nach Verabreichungsmethoden gesucht«, fuhr der Sumaner fort, »in der Hoffnung, Spuren des Giftes zu finden. Es gibt schnell wirkende Substanzen, die mit der Atemluft aufgenommen werden, von der Haut oder von anderen Körperöffnungen als dem Mund.«
    »Und habt Ihr etwas entdeckt?«, fragte Rodian, dessen Unruhe wuchs.
    Diese grässliche Verstümmelung musste irgendeinen Sinn haben.
    »Nein«, antwortete der Arzt.
    Rodian zwang seinen Blick, dem Finger des Sumaners zu folgen, als er auf den offenen Körper zeigte.
    »Die Lunge ist unverletzt und gesund, ebenso die Luftröhre«, sagte der Arzt. »Bei den inneren Organen deutet nichts auf Einwirkungen durch toxische Chemikalien hin. Bei Nase, Ohren und der Haut blieb meine Suche ebenfalls ohne Ergebnis. Eine von den Augen aufgenommene giftige Substanz wäre von Tränen verdünnt worden, aber bei einem so schnellen Tod hätte etwas übrig bleiben müssen.«
    Der Sumaner schüttelte erneut den Kopf und schnaufte leise. Falten bildeten tiefe Furchen auf seiner Stirn.
    »Und weiter?«, fragte Garrogh, Protokollbuch und Stift in den Händen.
    »Ich weiß nicht, was dieses Mädchen getötet und Haut und Haar verfärbt hat. Es scheint einfach gestorben zu sein, von einem Augenblick zum anderen.«
    Rodian spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete.
    Miriam war für nichts und wieder nichts aufgeschnitten worden. Der Hauptmann starrte noch einen Moment länger auf die verunstaltete Leiche, drehte sich dann abrupt um und eilte zur Treppe.
    »Wohin willst du, Herr?«, rief Garrogh ihm nach.
    »Zur Gilde. Bitte bring unseren Gast zu den Königlichen zurück.«
    Er lief die Treppe hoch und durch Speisekammer und Küche – diesmal war es ihm gleich, dass ihn andere in seinem aufgewühlten Zustand sahen. Rodian wurde erst langsamer, als er den Hof und die Ställe an der südlichen Mauer erreichte. Er atmete die frische Luft so tief wie möglich ein, ging am Stallburschen vorbei und sattelte Schneevogel selbst. Er klopfte ihr kurz auf den Hals, als sie ihm die Schnauze an die Wange drückte, schwang sich dann auf ihren Rücken.
    Der Hauptmann versuchte, das schreckliche Bild der aufgeschnittenen Leiche aus sich zu verbannen, als er durch den Wachhaustunnel des zweiten Schlosses ritt. Seine Bemühungen blieben vergeblich – ständig sah er das arme Mädchen vor dem inneren Auge. Gleichzeitig fühlte er sich in etwas verstrickt, das er noch immer nicht verstand und ihm die Rolle eines Beobachters aufzwang, der keinen Einfluss auf die Ereignisse hatte.
    Wie konnten ihm Herzogin Reine und die königliche Familie einen solchen Metzger von Arzt schicken?
    Zu Rodians Lebzeiten hatte es in den Numanischen Ländern keinen Krieg gegeben, was aber nicht bedeutete, dass er keine Kämpfe gesehen hätte. Einmal war er dienstlich in der Nähe von Malournés östlicher Grenze tätig gewesen, und sogar jenseits davon. Dort erstreckten sich die Gebrochenen Länder, eine wilde Gegend mit wenig oder gar keiner Zivilisation, die bis zur Ostküste reichte. Manchmal fielen gefräßige zweibeinige Geschöpf über abgelegene Bauernhöfe und Dörfer in den Wäldern her.
    Rodian hatte Soldaten gesehen, die von jenen Wesen in Stücke gerissen und halb verschlungen worden waren. Goblins nannte man jene Kreaturen, die auch Menschenfleisch fraßen.
    Sie erreichten fast zwei Drittel der Größe eines Menschen und jagten in Rudeln, wie wilde Hunde, was sie besonders gefährlich machte.
    Aber das aufgeschnittene Mädchen im Keller war schlimmer gewesen als alles andere.
    Er hatte nie begriffen, wie sehr sich diese Südländer, die Sumaner, von seinem Volk unterschieden. Wie konnte jemand in Calm Seatt von solchen Fremden erwarten, dass sie vernünftige Vorstellungen von Moral und Ethik teilten?
    Rodian versuchte, sich die Statuen der Dreieinigkeit im Tempel vorzustellen.
    »Verzeiht mir«, hauchte er. »Verzeiht meine Ignoranz und den Mangel an Weitblick.«
    Schneevogels Hufe klapperten übers Kopfsteinpflaster, und Rodian war so tief in Gedanken versunken, dass er kaum darauf achtete, wohin er ritt. Er versuchte, sein Bewusstsein

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