Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
das?«
Garrogh zuckte die Schultern. »Ich habe es von einigen königlichen Wächtern gehört.«
»Du sprichst mit den Weardas?«
»Sie haben gefragt, wie wir vorankommen«, erwiderte Garrogh. »Es hat nicht viel zu bedeuten. Die ganze Stadt redet über Mitglieder der Weisengilde, die in dunklen Gassen umgebracht werden.«
Rodian seufzte. Gerüchte waren wie eine Krankheit für die Wahrheitsfindung. Und er würde wie ein Narr dastehen, weil er mit seinen Ermittlungen nicht weiterkam.
Wenn sich dieser Arzt tatsächlich so gut mit Giften auskannte – warum stand er dann in den Diensten der königlichen Familie? Die Âreskynna brauchten kaum zu befürchten, vergiftet zu werden. Alle schätzten sie, mit einigen wenigen Ausnahmen. Vielleicht verfügte dieser Fremde über andere Fähigkeiten, die den Königlichen nützlich waren, wie der seltsame, stille Elf, der die Herzogin so oft begleitete.
Es klopfte an der Tür, und Rodian und Garrogh wechselten einen Blick.
»Herein«, sagte Rodian.
Wächter Lúcan sah zur Tür herein. »Hast du Zeit, Hauptmann? Der sumanische Arzt fragt nach dir.«
Rodian war sofort auf den Beinen und ging um den Schreibtisch herum. »Hol ein Protokollbuch«, wies er seinen Stellvertreter an. »Mach dir Notizen.«
Er wollte keine Ablenkung riskieren, indem er selbst protokollierte. Einen Augenblick später war er zur Tür hinaus und eilte durch den Flur Richtung Küche. Die Leichen befanden sich im kalten Rübenkeller.
Rodian ging mit langen Schritten, achtete aber darauf, nicht zu aufgeregt zu wirken. Er wurde erst langsamer, als er die Küche erreichte und sie durchquerte. In der Speisekammer öffnete er die Tür zum Keller und stapfte die steinerne Treppe hinunter, gefolgt von Garrogh.
Der Arzt stand an einem kurzen Blocktisch und kehrte ihnen den Rücken zu.
Rodian war ihm am Morgen begegnet, aber bei der Gelegenheit hatten sie nur wenige Worte gewechselt. Der Mann war schlank, hatte dunkle Haut, schwarzes Haar und einen gepflegten Kinnbart. Er trug einen sandfarbenen Musselin-Umhang und ein Tuch um den Kopf, von einer bernsteinfarbenen Schnur gehalten. Eigentlich wirkte er nicht alt genug, um Fachmann für irgendetwas zu sein.
Miriams Leiche lag nackt auf dem Tisch, wie eine große Schweinehälfte.
Der weite Umhang des Arztes versperrte Rodian die Sicht, und er sah nur Miriams Kopf und Schultern sowie ihre dicken Waden und ihre Füße. Die Augen waren geschlossen, aber das Gesicht zeigte noch immer Entsetzen. Einige graue Strähnen durchzogen das braune Haar.
Und dann bemerkte Rodian ein blutiges gebogenes Messer. Es lag dort, wo sich der Sumaner mit einer Hand auf dem Tisch abstützte. Rodian achtete zunächst nicht darauf; ihm ging es vor allem darum, Antworten auf seine Fragen zu bekommen.
»Nun?« Auf einen Gruß verzichtete er, denn inzwischen hatte er es satt, höflich zu sein.
Der Arzt drehte sich um, wodurch Rodian einen ungehinderten Blick auf den Tisch bekam. Unwillkürlich schnappte er nach Luft.
Der Oberkörper des Mädchens war von der Kehle bis zum Unterleib aufgeschnitten und geöffnet. Rodian sah Rippen und innere Organe.
Hinter ihm murmelte Garrogh etwas Unverständliches.
»Was habt Ihr getan?«, brachte Rodian hervor und verstummte dann.
Der Sumaner runzelte die Stirn. Die Reaktion des Hauptmanns schien ihn zu überraschen. »Man hat mich aufgefordert, eine gründliche Untersuchung vorzunehmen.«
Rodian fand seine Stimme wieder. »Ja, eine Untersuchung. Keine Verstümmelung!«
Das Mädchen war einen schrecklichen Tod gestorben, aber dies erschien Rodian noch grässlicher.
»Ohne mir die inneren Organe anzusehen, kann ich keine zuverlässigen Schlüsse ziehen«, erwiderte der Arzt kühl.
Rodian atmete mehrmals tief durch und versuchte, sich zu beruhigen.
Er hatte es hier mit einem Sumaner wie il’Sänke zu tun, der keine Verbindung zwischen Körper und wissendem Geist sah. In den Augen von Arbeiter, Schöpferin und Träumer waren Menschen aller Rassen sowie Zwerge und Elfen die höchsten Lebensformen. Selbst der Körper, das Gefäß für den Geist, war heilig. Aber diese Wahrheit blieb dem Sumaner fremd.
Rodian nahm sich vor, in den Tempel zu gehen und um Vergebung für diesen Fehler zu bitten.
»Was habt Ihr herausgefunden?«, fragte er. »Wie starb das Mädchen?«
Mit einem Lappen wischte sich der Arzt die Hände ab, an denen Blut und Schleim klebten. Dann trat er zum oberen Ende des Tisches und sah auf Miriams Gesicht hinab. Er öffnete den
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