Dhampir
Halbblut erkannt. Hatte er davon gewusst, noch vor der Begegnung mit ihm?
Wieder erschien ein Bild von Én’nish, und es flackerte, wechselte sich mit dem von Rujh ab, der aus dem Wald kam. Sgäile fühlte sich schwindelig, und dann begriff er plötzlich.
Es befanden sich zu viele Äruin’nas auf der Lichtung. Es handelte sich nicht um eine Jagdgruppe, auch nicht um die Eskorte eines Gesandten, der einen anderen Elfen-Clan besuchen sollte. Die Äruin’nas lebten im Nordwesten, wo der Wald an die Berge stieß. Was hatte Rujh hierher gebracht?
Es gab nur eine Erklärung: Jemand hatte die Äruin’nas aufgesucht oder ihnen eine Nachricht geschickt.
Én’nishs blinder Zorn und ihr Rachedurst reichten noch weiter, als Sgäile gedacht hatte. Vielleicht hätte Urhkarasiférin sie als Mündel behalten sollen, um die ganze Zeit einen wachsamen Blick auf sie zu haben.
Urhkarasiférin schlug Rujhs Speer beiseite. »Nicht du entscheidest über die natürlichen Gesetze des Waldes.«
»Ebenso wenig steht es eurem Ältesten Vater zu, Ausnahmen für sich in Anspruch zu nehmen«, erwiderte Rujh.
»Ohne den Willen des Blutes wirst du nichts tun«, warnte Urhkarasiférin. »Und damit meine ich sowohl dein Volk als auch meins.«
»Haben die Ältesten deines Clans den Menschen erlaubt, durch unseren Wald zu gehen?«
Hoffnung stieg in Sgäile auf. »Sie haben nicht beschlossen, sie zu töten.«
»Sprich nur, wenn du angesprochen wirst!«, schnauzte Urhkarasiférin, und Sgäile schloss den Mund.
Er beobachtete Rujhs Gesicht. In seinem Volk entschieden nur Clan-Älteste über so wichtige Angelegenheiten. Rujh wusste das, denn so war es auch bei seinem eigenen Volk. Der kleine Mann schnitt eine finstere Miene.
»Eine Entscheidung muss getroffen werden«, sagte er und wandte sich ab. »Wir treffen uns in Crijheäiche, wo diese Sache zur Sprache kommen wird.«
Sgäile bückte sich und zog Leanâlhâm auf die Beine. Ihr unschuldiges Gesicht war noch immer voller Furcht.
»Auf«, sagte er zu Wynn. »Wir kehren zum Weg zurück.«
Magiere ergriff Wynns Arm und ging mit ihr los, dichtauf gefolgt von Leesil. Urhkarasiférin übernahm die Spitze, und Sgäile begleitete Leanâlhâm. Nicht einer der Äruin’nas blieb auf der Lichtun g – sie alle verschwanden plötzlich.
Welche Lügen hatte die rachsüchtige Én’nish erzählt, um die Äruin’nas zu einer solchen Reaktion zu veranlassen?
»Bleibt nicht stehen und seht nicht zurück«, wies Sgäile die anderen an.
Er kannte Én’nishs nächstes Ziel. Zum gleichen Ort musste er seine Gruppe führen, um die Reise abzukürzen. Allein und ohne Gepäck kam sie schneller voran, würde den Fluss vor ihnen erreichen und dort an Bord eines Schiffes nach Crijheäiche gehen.
Leanâlhâms Hand zitterte in der seinen.
»Du bist in Sicherheit«, flüsterte er ihr zu und zog sie etwas näher.
Ein Anmaglâhk war durch seinen Eid dazu verpflichtet, die ihm Anvertrauten zu schützen. Doch Sgäile konnte einen gewissen Egoismus nicht leugnen, denn für ihn kam Leanâlhâm an erster Stelle.
Chap lief neben Wynn, sehnte sich nach dem verlorenen Leder mit den Elfensymbolen und nach einer Gelegenheit, es ungestört zu benutzen.
Er musste mit Leesil sprechen und wusste nicht, wie er es sonst anstellen sollte.
Den Äruin’nas war Chap nie zuvor begegnet. Selbst den Namen hatte er nie gehört, bis er in Sgäiles Erinnerungen erschienen war. Doch jetzt gab es Dinge, von denen Chap berichten musst e … Dinge, die er in Rujhs Erinnerungen gesehen hatte.
Zum Beispiel Én’nish.
Als ihm klar geworden war, was die junge Anmaglâhk getan hatte, hatte er sofort damit begonnen, Bilder in Sgäiles Bewusstsein entstehen zu lassen, bis eine Erkenntnis in ihm heranreifte. Doch Chap staunte noch immer darüber, in welchem Ton Rujh über den Ältesten Vater gesprochen hatte.
Als Welpe war Chap nur wenigen Anmaglâhk begegnet. Der Älteste Vater war kein Clan-Ältester, denn die Anmaglâhk bildeten eine eigenständige Kaste und dienten ihrem Volk. Doch ihr Patriarch genoss hohes Ansehen. Sein Wort hatte das Gewicht eines Clan-Ältesten und auch vielleicht dessen Autorität. Sein Wort hatte Macht. Änderte sich das nun?
Brot’an und Eillean hatten geglaubt, große Gefahren auf sich zu nehmen, indem sie dem Ältesten Vater trotzten. Der Patriarch ging davon aus, dass ein alter Feind zurückkehren würde, und Chaps Volk teilte diese Überzeugung. Deshalb war er zu Magiere geschickt worden: Er sollte
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