Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dhana - Im Reich der Götter

Dhana - Im Reich der Götter

Titel: Dhana - Im Reich der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
Vom Netzwerk:
Chaos-Öffnung findest, schau nicht hinein«, riet ihr die
Eidechse. »Diese Öffnungen ziehen zuerst deine Sinne und dann den Rest von dir
in das Reich des Chaos.«
    »Chaos-Öffnungen?« Dhana leckte ihren Finger ab und
tupfte damit die Bisswunde sauber.
    »Du findest sie überall in den Göttlichen Reichen«,
antwortete die Eidechse. »Sie dienen den Göttern als Fenster in das Reich von
Uusoae, der Königin des Chaos.«
    »Sie sollten Warnschilder bei solchen Dingern
aufstellen«, brummte Dhana. »Und warum halten die Götter diese Fenster offen,
wenn sie gegen diese Uusoae kämpfen?« »Diese Öffnungen gab es schon immer,
sowohl in den Göttlichen als auch in den Chaos-Reichen, ob nun Krieg herrscht
oder nicht«, erklärte die Eidechse. »Vater Universum und Mutter Flamme haben
die Dinge so bestimmt. Hast du deinen Schrecken überwunden?«
    »Ich denke schon.« Dhana lehnte sich zurück und
stützte sich dabei mit den Armen ab, während sie die Aussicht betrachtete.
»Warum habe ich dich nicht mit meiner Magie gespürt?«, fragte sie. »Sobald du
in meiner Reichweite warst, hätte ich spüren müssen, dass du da bist.« In der
Ferne kreiste ein Habicht über einer Lichtung im Wald. Dhanas scharfe Ohren
erfassten die entfernten Rufe von Krähen, Eichelhähern und Staren. »Nie habe
ich hier irgendjemand aus dem Tierreich gespürt. Ich kann euch nicht in meinen
Gedanken hören.«
    »Das wirst du auch nicht«, erwiderte die Eidechse
ruhig. »Wir sind keine sterblichen Tiere, Veralidhana Sarrasri - wir sind
Götter. Wenn wir getötet werden, werden wir augenblicklich in neuen Körpern
wieder geboren. Wir besitzen unsere eigene Magie, eine mächtige Magie. Sterbliche
können uns nicht wahrnehmen wie gewöhnliche Tiere.«
    Dhana rieb sich die Ohren. »Ich fühle mich wie taub.
Ich fühle mich . .. irgendwie von allem abgeschieden.« »Das ist schon in
Ordnung«, sagte ihr Gefährte. »Sonne dich ein wenig. Die Wärme wird dir gut
tun.«
    Dhana lächelte bei dem Gedanken, dass Sonnenbaden ihr
helfen sollte, aber sie gehorchte. Der Fels wärmte sie und vertrieb die durch
die Chaos-Öffnung verursachte Angst. Weit unten hämmerten Spechte gegen Bäume,
Eichhörnchen stießen Warnrufe aus. In der Nähe zirpte eine Grille. Aus den
Bergen hinter ihnen ertönte zuerst eine, dann eine andere, dann weitere
Wolfsstimmen und vereinten sich im Rudelgesang. Dhana lächelte, als sie die
schwachen, zittrigen Laute von Wolfswelpen vernahm, die sich zu den älteren
gesellten, vielleicht zum ersten Mal. Der Wind drehte sich und wehte eine Spur
von Rauch zu ihr. Sie sah sich nach der Ursache um und entdeckte das Haus und
den Garten ihrer Eltern, umfangen vom Band des Baches. Eine weiße Rauchfahne
schlängelte sich vom Kamin empor. »Sieh mal«, sagte die Eidechse. »Dort, im
Westen.« Ein großer, dunkler Vogel flog vom Blätterbaldachin hoch in die Luft.
Selbst mit dem Blick des Adlers konnte Dhana ihn nicht deutlich erkennen. In
einem Augenblick war er ein Schatten, im nächsten beinahe durchsichtig. Er war
größer als irgendein Raubvogel, jedoch nicht so groß wie ein Greif. Sie
schätzte seine Länge auf einen Meter dreißig bis einen Meter fünfzig, seine
Flügelspanne auf über zwei Meter. Immer höher flog er, die Kreise, die er zog,
wurden immer enger. Als es den Anschein hatte, als drehe er sich wie ein
Kreisel in der Luft, öffnete der Vogel seine Schwingen so weit er konnte,
spreizte seinen Schwanz und bot sich der Sonne dar.
    Dhana hielt den Atem an, als das Sonnenlicht sich in
orangefarbenen, gelben, roten, weißen und blauen Strahlen auf den Federn des
Geschöpfes widerspiegelte. Der Vogel ließ seine farbenprächtigen Flügel
dreimal aufblitzen, dann faltete er sie ein klein wenig zusammen, worauf das
Lichterspektakel erlosch. Und plötzlich war es wieder nichts weiter als ein
unbestimmbarer Vogel, der in Spiralen nach unten flog.
    Die Eidechse seufzte vor Freude. »Sonnenvögel«,
erklärte sie. »Sie machen das von Mittag bis zum Sonnenuntergang. Ich werde nie
müde ihnen zuzuschauen.«
    Eine Weile saßen sie in schweigender Eintracht und
genossen die weite Aussicht vor ihnen. In der Ferne schrie ein Adler. Der Wind
drehte und kam jetzt von Süden. Er brachte den Geruch von Wasser aus ruhigen
Teichen und eifrigen Bächen mit sich. Die Eidechse hob den Kopf. Dhana sah sich
um und entdeckte drei Vogelgestalten, die sich in dieser charakteristischen
Korkenzieherart hoch schraubten. Gespannt sah sie zu, wie die

Weitere Kostenlose Bücher