Dhana - Im Reich der Götter
Weiryn und sah Dhana dabei
fest an. »Die Göttlichen Reiche sind für euch Sterbliche zu gefährlich.«
»Wir haben ja Breitfuß
und den Dachs«, sagte Numair. »Und wir haben auch bereits gelegentlich auf uns
selbst aufgepasst. Außerdem gab es schon Sterbliche, die in den Göttlichen
Reichen überlebt haben.«
Weiryn seufzte. »Ich habe mir gedacht, dass du genau
das sagen wirst.« Sein Pinsel und das Tintenfass verschwanden. Mit nach unten
gerichteten Handflächen berührte er die mit Tinte bemalte Oberfläche des
Holzes. »Zumindest kann ich Sarra sagen, dass ich es versucht habe.« Wie
morsche Borke von einem Baumstamm löste sich die Oberfläche mit der Landkarte
knackend vom darunter liegenden Holz, wurde dünner, bis sie die Stärke schweren
Pergaments erreicht hatte, und rollte sich auf. Weiryn reichte sie Numair. »Du
brauchst nicht zu fürchten, dass sie zerbricht oder dass Wasser die
Markierungen verwischt«, sagte er mürrisch.
Dhana beugte sich vor und küsste ihren Vater auf die
Wange. »Danke, Pa.«
Als die drei ins Wohnzimmer zurückkehrten, saß
Breitfuß triefend auf dem Tisch. »Kann's losgehen?«
Sarra reichte ihnen Mäntel, einen blauen für Dhana,
einen schwarzen für Numair, danach händigte sie ihnen ihre Packsäcke aus.
»Wie hast du's dir denn vorgestellt?«, fragte Numair
Breitfuß. »Du kannst deine Macht nicht benutzen, um uns zu bewegen, und . . .
verzeih mir, aber ... ich bezweifle, dass du mit uns Schritt halten kannst.«
Breitfuß sah den Magier an, Numair zuckte zusammen.
Durch die Öffnung seines Mantels deutlich sichtbar teilte sich sein
cremefarbenes Hemd, bis sich im Stoff über Numairs Bauch eine tiefe Tasche
gebildet hatte. Der Entenmaulwurf verschwand und erschien wieder, in
schimmerndes Feuer gehüllt, eingekuschelt in die Tasche. Er drehte sich um und
sah zu Numair auf. »Von hier aus dürfte die Aussicht sehr hübsch sein«, sagte
er, während Dhana und ihre Mutter kicherten. »Pass bloß auf, dass du mich nicht
herumschubst.«
Sarra umarmte Dhana. »Du wirst kommen und ein bisschen
bleiben, wenn euer Krieg beendet ist?«, fragte sie. »Bitte!«
»Das werde ich, Ma, ich weiß nur nicht, wann das sein
wird.« »Wir werden es wissen. Wir werden dich am nächsten Feiertag holen,
sobald der Krieg zu Ende ist.« Ihre Mutter sah sie erwartungsvoll an. »Du
wirst dann doch ein bisschen länger bleiben?« »Ich werde kommen, Ma.«
»Versprochen?«
Mit Tränen in den Augen umarmte Dhana ihre Mutter und
drückte sie fest an sich. »Ich verspreche es. Wir ... wir holen all das nach,
was diese Banditen uns damals genommen haben, als sie dich ermordeten.«
Sarra umarmte ihre Tochter ein letztes Mal, dann
drehte sie sich zu Numair um. Dhana warf sich den Packsack und den Bogen über
die Schulter, dann sah sie ihren Vater an.
Weiryn beugte sich hinunter und küsste sie ernst,
zuerst auf eine Wange, dann auf die andere. »Wir werden einander wieder sehen,
was sollen diese Verabschiedungen also für einen Sinn haben?«
»Überhaupt keinen«, antwortete sie mit einem tapferen
Lächeln. Weiryn öffnete die Tür, nacheinander gingen sie hinaus. »Geradewegs
den Pfad entlang«, wies ihr Führer sie an. »Wir haben noch ein paar Stunden
Tageslicht vor uns.« Dhana ließ Numair vorausgehen. Sie warf nur einmal einen
Blick zurück und sah, wie ihre Mutter weinend den Kopf an Weiryns Schulter
legte. Beide winkten. Dhana winkte zurück, dann sah sie sich nicht mehr um, bis
der Weg sie in den Wald und damit außer Sichtweite führte.
Sie gingen schweigend einen ausgetretenen Pfad in
einem Bergwald entlang. Während Dhana versuchte auf Tierstimmen zu lauschen,
wie sie das zu Hause bei ihren Wanderungen tat, hatte sie wieder das
unangenehme Gefühl taub zu sein. Ihre Ohren nahmen zwar das Rascheln kleiner
Wesen, die sich auf dem Waldboden vor ihr bewegten, und die vielen Rufe hier
lebender Vögel wahr. Mit ihrer Magie hörte sie jedoch nichts. Hier in den
Göttlichen Reichen hatte sie keine Möglichkeit zu
erfahren, was in der Unterhaltung zwischen einem Eichhörnchen und einem
Eichelhäher gesprochen wurde - obwohl sie es an der Wut in der Stimme des
Eichhörnchens und dem Spott in der des Vogels erraten konnte. Ihr Gespür für
Unsterbliche registrierte weit in der Ferne eine Herde von blutrünstigen
Zentauren auf der Wanderung. Schon wollte sie ihre Gefährten warnen, da merkte
sie, dass sich die Zentauren in die entgegengesetzte Richtung bewegten. Bald
danach entschwanden sie ihrem
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