Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
mehr spürte er die verlockende Berührung des Kelchs, doch vor dem Horadrim wollte er diesem Drang nicht nachgeben.
„Nun gut“, erklärte er schließlich. „Dann ist Lorath von nun an ein Lehrling in unserem Orden! Er soll mit den Rittern der Westmark arbeiten und eine Allianz zwischen uns schmieden.“ Er machte eine Pause, um die Gefährten der Reihe nach anzublicken. Was er in ihren Gesichtern sah, ließ seine Stärke und Überzeugung wieder wachsen. „Wir werden die Gruft von Rakkis finden. Sie ist hier, unter unseren Füßen, da bin ich sicher.“
Während sie weitergingen, entzündete der Erzengel Steinschalen und Fackeln, und ihre blauen Flammen warfen einen geisterhaften Schein auf die Ruinen. Doch dann erreichten sie einen Abschnitt, wo die Flammen bereits brannten.
Es schien, als hätte ihre Gegenwart etwas Uraltes aufgeweckt, dachte Cullen. Die Luft schien immer schwerer auf seinen Schultern zu lasten, je weiter sie gingen; sie presste seine Lungen zusammen, als könnte sie jeden Moment zu Leben erwachen und ihn erdrücken wie eine riesige Hand.
Tief unter der Erde erreichten sie schließlich einen Steinbogen, der in einen runden Saal führte. Direkt vor ihnen spannte eine neue Brücke sich über einen Abgrund zu einer Plattform mit einer Art Altar, und auf der anderen Seite führte eine zweite Brücke zu einem schattenverhangenen Gang an der hinteren Wand.
„Die Gruft von Rakkis“, hauchte der Gelehrte fast lautlos. „Unglaublich.“
Der Raum sah genauso aus wie die grobe Skizze aus Korsikks Tagebuch, einschließlich des Altars in Form eines Sarkophags. Ja, hier musste sich die letzte Ruhestätte des alten Königs der Westmark befinden! Die Vorstellung, wie der Leichnam einst in einer trauervollen Prozession von Zakarum in diesen Raum getragen worden war, hatte etwas Unheimliches, und der Gedanke, dass Rakkis’ Gebeine während all der vergangenen Zeiten ungestört hier gelegen hatten, ließ Cullen erschaudern. Er hatte während ihrer Odyssee durch die unterirdische Welt beileibe genug Knochen gesehen.
Es musste inzwischen schon spät sein, doch die Entdeckung brannte die Müdigkeit hinweg und erfüllte die Gefährten mit neuer Energie. Shanar strich mit den Fingerspitzen über den Altar.
„Nicht gerade, was man sich unter einer friedlichen Ruhestätte vorstellt“, meinte sie. Doch ihre Augen glühten, als Jacob neben sie trat. Sie neigte sich ihm entgegen, und kurz streifte ihre weiche Haut seinen Arm.
Es gab nichts, was sie heute Nacht noch tun konnten, und die Aufregung, die sie alle aufgerüttelt hatte, verebbte langsam. Die alte Erschöpfung kehrte zurück in ihre Glieder – und mit ihr die Erkenntnis, welche Hindernisse noch vor ihnen lagen.
Die Horadrim kehrten um und marschierten durch die leeren, geräuschlosen Korridore zurück, der fernen Oberfläche entgegen. Schließlich durchquerten sie wieder die schimmernde Wand, und nachdem der Letzte von ihnen hindurchgetreten war, verblasste das Glühen, und der Fels war wieder so glatt und fest wie zuvor. Cullen bemerkte, dass die Augen der Statue Tyrael auch diesmal mit kaltem leblosen Blick folgten, bis sie außer Sicht waren.
Es stimmt also , dachte er, genau, wie ich vermutete: Der Schutzschild ist noch immer intakt . Angesichts der Aufgaben, die auf sie warteten, hatte dieser Gedanke fast etwas Tröstliches.
An der Gabelung nahmen sie den anderen Tunnel, um zu sehen, wohin er führte. Der Gang wandte sich stetig nach oben, bevor er schließlich am Rande eines mächtigen Sumpfes, mehrere Meilen von der Stadt entfernt, in die Oberwelt führte. Der Ausgang war sorgsam durch eine natürliche Felsformation verborgen, doch selbst, falls jemand ihn durch Zufall entdecken sollte, würde man ihn nur für die die Ruine eines längst vergessenen Tempels halten. Einmal mehr war das Glück den Horadrim also treu; sie würden nicht versuchen müssen, die geborstene Steinbrücke zu überqueren.
Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ließen die fernen Türme von Westmark aufglühen, ein Geruch von Schwefel und Schlamm hing in der Luft, und das Konzert der Frösche und Sumpftiere durchbrach eine frühmorgendliche Stille.
„Eine perfekte Tarnung“, stellte Thomas fest. „Niemand würde vermuten, dass sich etwas unter diesem Morast befindet.“
Cullen musste ihm beipflichten, denn als er sich umwandte, sah er nur zerbröckelnden Stein zwischen Farnen und Schilf. Doch selbst, falls jemand zufällig in die Katakomben gelangte, fände
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