Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
auf ewig wandeln.
Er durfte nicht zulassen, dass es dazu kam.
Zayl ging los, zwischen den Bäumen am Rand des Weges hindurch, der silbernen Stadt entgegen, doch seine Gedanken hatten sich bereits dem nächsten Problem zugewandt. Er hatte keine Ahnung, wie lange Shanars Magie ihn noch tarnen würde, da er sich immer weiter von ihr entfernte. Im Moment verbarg der Mantel der Illusion noch seine wahre Gestalt, doch jeden Moment konnte er als Sterblicher erkannt werden.
Der Gedanke half ihm wenig dabei, sich zu beruhigen.
Zwischen den Ästen hindurch sah er immer wieder kurz die beiden Wachen, bis sie unter einem riesigen verzierten Bogen aus glänzendem Stein verschwanden. Jetzt drang nur noch das Echo ihrer Worte an sein Ohr, und er beschleunigte den Schritt, um aufzuholen. Ihre Worte hatten seine Neugier geweckt.
„Es ist eine große Ehre, den neuen Engel zu begleiten“, meinte der eine der beiden gerade. „Dir wird eine Audienz vor Balzael zuteil. Und vielleicht kommt sogar der Erzengel des Heldenmutes selbst hinzu. Nicht viele von uns einfachen Soldaten erhalten Gelegenheit, sich in seiner Gegenwart zu sonnen.“
„Ich hörte, dass Gealith schön ist. Doch ich habe sie noch nie gesehen“, erwiderte der andere. „Als sie geboren wurde, stand ich am Ring Wache – allein, versteht sich. Das war die Strafe, weil ich meine zweite Probe nicht bestanden hatte.“
„Schön ist sie, gewiss“, bestätigte sein Begleiter. „Doch da ist etwas Eigenartiges an ihr. Du wirst es selbst sehen, wenn wir die Bibliothek erreichen …“
Die Stimmen der Luminarei verhallten, während sie weiter den Säulengang hinabschritten. Zayl hatte den Rand der Bäume erreicht; er würde eine dreißig Fuß offene Fläche überqueren müssen, um den Bogen zu erreichen, der nun wieder still und verlassen vor ihm lag.
„Du hast doch nicht etwa vor, was ich glaube, das du vorhast“, brummte Humbart. „Sie werden dich entdecken, Freund! Denk an deine Mission …“
Doch Zayl war bereits zwischen den Ästen hervorgetreten. Um einen möglichst selbstbewussten Gang bemüht, marschierte er über die Allee und in die Kühle des Säulengangs. Dann duckte er sich hinter die nächstbeste Säule und blickte sich um.
Die Wunder, die er bislang in den Himmeln gesehen hatte, verblassten im Vergleich zu der Pracht, die sich nun vor ihm auftat: Die mächtigen Säulen schienen sich vor ihm bis in endlose Höhen zu erstrecken, und rechter Hand blickte er hinab auf weitläufige, kunstvolle Gärten. Anmutige Figuren waren in die Pfeiler geschnitten, und ihre Umrisse bewegten sich im diamanten schillernden Licht wie lebendig.
Zayl ging den Gang hinab, wobei er sich links hielt und so gut es ging in den Schatten blieb. Leise Musik erfüllte die Luft, so anmutig, dass er sich unwillkürlich alles Gute und Schöne in seinem Leben zurückwünschte. Salene , dachte er, und ihr Gesicht nahm in seinem Kopf Gestalt an. Ihre Augen schienen seinen Blick zu suchen, erfüllt von der stummen Frage, warum er sie im Stich gelassen hatte. Wie alle Rathmaner glaubte er, dass sein Leben den Verlauf nahm, der am besten war für ihn und dass sein Schicksal ihn ereilen würde, wenn die Zeit dafür gekommen war – nicht früher und nicht später. Doch nun begann er dieses Schicksal zu hinterfragen, begann sich zu fragen, ob er von dem Pfad abgewichen war, der ihm bestimmt war. Er sah seine Mutter und seinen Vater am Bug des Schiffes, als es in Flammen aufging, sah, wie sie ihm hilfesuchend zuwinkten. Ihr Tod war seine Schuld gewesen; schließlich hatte er jenes Feuer gelegt, das ihnen zum Verhängnis geworden war. War dies der Moment gewesen? Was, wenn alles nur eine Illusion war? Er hatte sein Leben Trag’Oul gewidmet, dem mächtigen Drachen und Wächter von Sanktuario, und er hatte mit ganzem Herzen daran geglaubt, dass es jene andere Welt gab, in die Rathma sich vor Jahrhunderten zurückgezogen hatte. Nun überdauerte der mythische Drache die Zeiten als Sternbild, das von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Menschen kündete – und diese Zukunft, wie immer sie auch aussehen mochte, konnte nur im Gleichgewicht existieren. Licht und Dunkelheit, die Himmel und die Höllen, und zwischen ihnen Sanktuario. Ein Gleichgewicht, das um jeden Preis gewahrt werden musste. War dies vielleicht alles eine Lüge, ersonnen von dem Mann, der die ersten Rathma-Priester unterrichtet hatte? Hatte er ihnen seinen Wahnsinn und seine Halluzinationen eingeimpft und sie dann der
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