Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
fühlte sich an wie ein Affront gegen die Götter. Die Luft um sie schien unnatürlich schwer auf ihrer Haut zu lasten, und der Staub, den ihre Füße aufwirbelten, war geschwängert vom Geruch der Vergangenheit.
Es war anders, als Cullen es sich vorgestellt hatte. Nichts deutete darauf, dass die erstgeborenen Nephalem je hier gewesen waren; der Form von Boden und Decke nach zu schließend, war die Höhle vor Jahrhunderten von tosenden Wassern aus dem Fels gehöhlt worden. Dennoch kam ihm der Ort seltsam vertraut vor, als wäre er vor langer Zeit schon einmal hier gewesen. Hier, tief unter der Kathedrale, lag eine vergessene Welt – eine Welt, die in einen Jahrhunderte währenden Schlummer gefallen war und die ihrer Rückkehr harrte. Nein, seiner Rückkehr, dachte Cullen; das Erlebnis mit dem Schlüssel, als jene ungeheure Energie durch ihn geströmt war, hatte ihn verändert. Es war, als hätte er schon einmal gelebt, diese andere Existenz doch erst jetzt wiederentdeckt.
Schließlich erreichten sie eine natürliche Steinbrücke, die sich über einen Abgrund spannte, so tief, dass das Licht der Fackeln seinen Grund nicht erhellte. Das Echo ihrer Schritte hallte plötzlich so laut, als säßen ihnen unsichtbare Verfolger im Nacken. Der Totenbeschwörer und sein Schädel berieten sich kurz wispernd; dann bat Zayl Cullen um seine Fackel und setzte sich an die Spitze der Gefährten.
Der Gelehrte blieb dicht hinter ihm, gefolgt von Thomas und Mikulov, denn die Brücke war schmal, und sie mussten sie der Reihe nach gehen. Links und rechts gähnte schwarze Leere, und immer wieder fielen lose Steinchen in die Schlucht, dass es klang, als huschten kleine Tiere davon.
Kaum, dass der Letzte den Abgrund überquert hatte, hallte ein bedrohliches Stöhnen durch die Höhle. Der Boden unter ihren Füßen bebte, und die Steinbrücke spaltete sich mit lautem Knacken. Zuerst war es nur ein Riss, doch dann wurde er weiter und weiter, und als der Fels schließlich wieder zur Ruhe kam, klaffte eine fast vier Fuß breite Lücke in der Mitte der Brücke.
Shanar trat an den Rand und streckte die Fackel vor, um den Schaden besser sehen zu können.
„Zurück können wir jedenfalls nicht“, murmelte sie, während die Gefährten sie im flackernden Licht erwartungsvoll anblickten. „Ich hoffe, es gibt noch einen anderen Ausgang, sonst werden wir Teil dieser vergessenen Stadt.“
„Wir könnten versuchen, hinüberzuspringen“, schlug Cullen vor, doch als Shanar den Fuß auf die Brücke setzte, knirschte der Fels, und sie wich hastig zurück auf festen Boden. Ihnen blieb keine Wahl, als weiterzugehen.
Sie stapften dahin, weiter und immer weiter, bis es sich anfühlte, als stünde die Zeit still. Cullen konnte nicht mehr sagen, ob sie schon eine Stunde unterwegs waren oder zehn, und er versank wieder in jenen traumartigen Zustand, dem er bereits vorhin erlegen war, als er den Schlüssel in das Schloss geschoben hatte. Die Geister der Toten schwirrten um ihn, und Zayl schien ebenfalls etwas zu spüren, denn der Totenbeschwörer blickte ihn mehrmals durchdringend an, und Humbart murmelte leise vor sich hin – zu leise, als dass jemand seine Worte verstehen konnte.
Irgendwann begann der Pfad schließlich sich zu senken, erst nur in leichtem Winkel, doch dann immer steiler, bis sie eine Stelle erreichten, da die Höhle sich wieder weitete und der Tunnel sich gabelte; rechts von ihnen stieg der Pfad sanft an, bevor undurchdringliche Schwärze ihn verschluckte, und links mündete er in eine kleine Nische. Was Cullen dort erblickte, ließ ihm den Atem stocken.
Die Statue eines Mannes war aus dem Fels gehauen, so lebensecht, dass es aussah, als träte die Gestalt gerade aus dem Fels. Die Figur überragte Tyrael um das Doppelte, und im flackernden Schein der Fackeln hätte man fast meinen können, die fließenden Gewänder rührten sich, während das lange Haar über die Schultern der Gestalt floss. Der kräftige Kiefer und die glatte Stirn wären schön gewesen, wären da nicht jene harten, schmalen Augen gewesen, die nach oben spähten, als drohe jeden Moment ein Angriff aus der Höhe.
„Beim Licht“, keuchte Lorath, „ich habe noch nie so ein … Wer hätte gedacht, dass hier unten so etwas …“
Neben dem Arm der Statue war etwas in die Wand geritzt: ein Kreis mit einem Schlitz in der Mitte. Der Totenbeschwörer hob die Fackel, während Cullen mit den Fingern über den Kreis strich. Er begriff, dass das Zeichen für ihn stand, für
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