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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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die unzählige Jahrzehnte den Gestank der alten, aus Elfenbein gefertigten Pfeife in sich aufgenommen hatten. Dass ein derartiges Odeur dem Ort noch viele Monate, gar Jahre anhaften würde, war nur allzu verständlich. Doch in den Tagen meines Besuches hing der Duft der Pfeife frisch und würzig und in all seinen Schrecknissen in jedem Zimmer des Hauses; gerade so, als lebte der Großvater noch immer in den niedrigen, mit schwerem Holzgebälk versehenen Zimmern, und ich bräuchte mich nur genauer umzusehen, um das ausdruckslose, bärtige und imperatorische Antlitz des alten Mannes in einer düsteren, von Tageslicht gemiedenen Ecke des Hauses zu finden. Selbst jetzt, sechs Jahre nach diesen letzten schrecklichen Tagen im Haus meines Vorfahren, spürte ich noch jenen kalten Schauder, der mich damals zurück nach London begleitet hatte.
    Ich stieg aus dem Wagen, nahm die lederne Aktenmappe, in der ich all die Unterlagen der Rechtsanwälte aufbewahrte, die mich auf den Nachlass meines Vaters vorbereitet hatten, und ging den kurzen Pfad zur Pforte des verrotteten Gartenzaunes hinauf.
    Zwei morsche Holzpfosten hielten das Tor windschief in verrosteten, starren Angeln, so dass ich an dem einen Pfahl herumging, neben dem die Mehrheit der Holzlatten fehlte, ohne das Tor zu berühren. Der Weg zur Tür des Hauses, einst mit Steinplatten ausgelegt, war unter einer dichten Schicht grauen Mooses verschwunden. Buschwerk und Dorngestrüpp neigten sich mir zu beiden Seiten des Weges entgegen und griffen gierig nach meinen Beinkleidern, als ich mich bis zu den beiden steinernen Stufen vorkämpfte, die zur Tür führten.
    Ein merkwürdiges Gefühl überfiel mich mit kalter Heftigkeit, als ich den Schlüssel aus der Aktentasche kramte und ihn ins Schloss steckte. Es war ein seltsam vertrautes Geräusch, da ich es doch in meinen Kindertagen so oft gehört und es mich bis tief in meine Träume hinein begleitet hatte.
    Die Tür war noch immer dieselbe wie vor rund fünfunddreißig Jahren, und so weckten das metallische Schaben des Schlüssels im Schloss und das kurze, in der Stille des Tages übermäßig laute Klicken, als ich den Schlüssel herumdrehte, Erinnerungen in mir, die teils von den kalten Gefühlen der Furcht, aber teils auch von schmerzhaften Erinnerungen an meinen Vater geprägt waren.
    Als ich die Tür nach innen stieß, ohne das obligatorische Quietschen verrosteter Angeln, das man an einem derartig düsteren Ort erwartete, schlug mir ein Schwall schaler und warmer Luft entgegen, gerade so, als drängte etwas lange Eingesperrtes gierig in die Freiheit.
    Sofort erkannte ich den üblen Geruch der Elfenbeinpfeife. Doch mochte diese Empfindung auch auf meine überstrapazierten Nerven zurückzuführen sein, denn im nächsten Moment war der würzige Tabakgeruch auch schon verschwunden und die Ausdünstung abgestandener, modriger Luft herrschte vor.
    Widerwillig betrat ich das alte Haus meines Großvaters, das jetzt das meine war. Ich wusste aus meinen Kindertagen, dass Henry Wilkes kein Freund der Elektrizität gewesen war. Er hatte diese Errungenschaft der Technik gleichgesetzt mit den Verlockungen, die der Teufel des Nachts in schwarzen Träumen flüstert. Aus diesem Grund hatte es in jedem Zimmer mehrere Petroleumlampen gegeben, die mit duftenden Ölen gefüllt waren und ihren milden, flackernden Schein an den Abenden an die Wände warfen. In meinem ersten Sommer, als ich meinen Großvater noch geliebt und der Besuch in seinem Haus auf dem Hügel ein ganz besonderes Abenteuer für mich gewesen war, hatte ich die tanzenden Schatten in den Ecken der Zimmer und den Geruch des Petroleums ebenso sehr gemocht wie das Umherstreifen in dem seltsamen Ort am Tage. In späteren Jahren, als mich immer mehr Abscheu und Widerwillen begleiteten und die Alpträume begannen, in denen mein Großvater eine Inkarnation des Schwarzen Mannes war, hatten mich die Lampen auf Tischen und Bänken geängstigt, erfüllten sie die ohnehin schon unheimliche Dunkelheit des Hauses doch mit den seltsamsten und groteskesten Schatten, die der Phantasie eines kleinen Jungen nicht zugute kamen.
    Als ich vor sechs Jahren meinen Vater besuchte, hatten wir die Abende ebenfalls im Schein diverser Öllampen verbracht und über banale Dinge geredet, die sich in den Jahren zuvor ereignet hatten. Aus der später folgenden Korrespondenz mit meinem Vater schloss ich, dass sich Jeremiah Wilkes ebenso dem Segen neumodischer Elektrizität verweigerte, wie es bereits dessen

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