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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Vater getan hatte. So überraschte es mich nicht, als ich das Innere des Hauses dunkel vorfand und es keine Anzeichen dafür gab, dass die Zimmer mit Strom erhellt wurden. Auch hatte ich keine Leitungen gesehen, die den Hügel hinauf zum Haus führten. Alles empfing mich ebenso düster, wie schon zu Kindheitstagen …
    Das wenige Tageslicht, das durch die Tür fiel, ließ mich eine Öllaterne nahe dem Eingang auf einem verstaubten Schemel entdecken. Daneben lagen einige Streichhölzer, die mit Sicherheit noch aus der Hand meines Vaters stammten. Ich kam nicht umhin mir einzugestehen, dass meine Hand zitterte, als ich nach ihnen griff.
    Ich riss eines der Hölzer an, hob das Glas der Lampe und entzündete den in Öl getränkten Docht. Im nächsten Augenblick wurde der Raum vom schwachen, zuckenden Tanz einer spärlichen Flamme erhellt, die ich schnell an dem kleinen Stellrad höher drehte, so dass ich fast den gesamten Raum erkennen konnte. Uralte Schatten flohen aufgeschreckt in ihre Ecken und Nischen.
    Ich wusste aus früheren Jahren, dass ich mich in der Küche des Hauses befand. Im gelben Schein der Flamme warfen die massigen Möbelstücke grobschlächtige und einschüchternde Schatten gegen die Wände. Durch das Tänzeln der Flamme unter dem Glasschirm schienen sich diese düsteren Gespenster auf beängstigende Weise zu bewegen, als hätte eine unsägliche Macht ihnen stilles Leben eingehaucht.
    Ich erkannte den alten, gusseisernen Herd, an dem mein Großvater das Essen bereitet hatte, und der stets mit Holz geheizt wurde, das in einem Stapel hinterm Haus gelagert war. Hatte früher oft die kleine Klappe, hinter der das Feuer wütete, sanft rot geglüht, so wirkte der riesige Herd jetzt wie der graue Kadaver eines erlegten Tieres. Daneben befand sich das tiefe Metallbecken mit dem grauen Wasserhahn, der stets ein langgezogenes Rumoren von sich gab, wenn man ihn aufdrehte. Ich erinnerte mich an das unheimliche Rumpeln in den maroden Leitungen, wenn der Wasserkreislauf in Gang gesetzt worden war und man einige Sekunden warten musste, bis das kühle Nass seinen Weg ins Becken gefunden hatte.
    In der Mitte der Küche stand ein hoher, aus Holz gezimmerter Tisch, auf den ich meine lederne Mappe warf und nach weiteren Öllampen griff, die am Kopfende des Tisches standen. Zu meiner Genugtuung stellte ich fest, dass alle Lampen reichlich mit Petroleum gefüllt waren.
    Ich entzündete die feuchten Dochte, wobei ich mit einer plötzlichen tiefen Trauer daran dachte, wie oft mein Vater wohl diese Laternen angezündet hatte, während es im Haus still war und sein einziger Sohn rund zweihundert Meilen entfernt im pulsierenden und lärmenden London saß.
    Eine der Lampen ließ ich auf dem Küchentisch stehen. Die zweite nahm ich zur Hand und ging mit ihr zu der schmalen Holztür, die weit offen stand – fast wie das wartende Maul einer gefräßigen Bestie – und in die Wohnstube führte.
    Die Lampe warf groteske, merkwürdig tanzende, manchmal zurückzuckende, manchmal heraneilende Schatten auf Boden und Wände.
    Als ich die Wohnstube betrat und sich der Schein der Flamme wie ein milder Schleier über das Zimmer legte, wurde ich von einer Flut aus Erinnerungen überwältigt, gerade so, als würde ein tosendes Meer über mir zusammenschlagen.
    In diesem Raum, der niedrig und erstickend war, und dessen durchhängende Decke von schwarzen, uralten Balken gestützt wurde, die der Stube die Atmosphäre eines finsteren Verlieses verliehen, hatten mein Großvater, mein Vater und ich die Abende verbracht, nachdem die Mahlzeit, die Henry Wilkes auf dem monströsen Herd in der Küche bereitet hatte, beendet war.
    Ich erinnerte mich des anheimelnden Gefühls der ersten Jahre, in denen ich im Arm meines Vaters auf einem Sessel gesessen hatte, meinen Großvater beobachtete, wie er an seiner Pfeife zog und weiße und graue Rauchringe gegen die Decke blies, und mich vom Flackern der Öllampen langsam in den Schlaf wiegen ließ.
    Als ich noch ein Kind war und nichts von dem schrecklichen Wesen meines Großvaters ahnte, bedeutete dieser Raum mit seinen Öllaternen und dem würzigen Geruch der Pfeife eine Erinnerung, wie sie sich jeder kleine Junge erträumte. Es bedeutete Abenteuer, Geborgenheit und Ruhe gleichermaßen, zumindest solange, bis ich hinter das wahre Wesen des Henry Wilkes blickte. Danach verkörperte dieses Zimmer die traurige und gefährliche Atmosphäre eines Käfigs, aus dem es kein Entrinnen gab. Eingesperrt mit einem Wesen,

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