Diabolos (German Edition)
deutlicher in all seiner Scheußlichkeit. Und ihre Worte werden fordernder … lauter … verheißungsvoller …
Was hält mich hier noch in London, einer lauten Stadt, die nicht einmal meinen Namen kennt? Ich muss zurück nach Arc´s Hill … Ich muss zurück in die verschlossene Kammer … Zurück zu jenem Ding, das meine Mutter ist, und das sich nach der Liebe ihres Kindes sehnt …
»Deine Mutter hatte das Haus stets geliebt. Und sie tut es immer noch …«
Das war der Satz aus dem Brief meines geliebten Vaters, der sich seit jener Nacht im Jahre 1931 in meinem Unterbewusstsein festgesetzt und erst jetzt den Weg zurück an die Oberfläche meines Verstandes gefunden hatte.
Illustration – Lothar Bauer
Without Innocence – The Cross is Only Iron
C.J. Walkin
Der Innenraum der Oper platzte wieder aus allen Nähten. Überall tummelten sich Menschen, die sich angeregt und gespannt unterhielten. Der heutige Abend war für viele unter ihnen ein bedeutendes Ereignis: Sie würden SIE hören!
Crane sah sich in der wie eine Kathedrale wirkenden Oper um, die fast zehn Stockwerke hoch war und unzähligen Menschen Platz bot. Die zahlreichen Logen, die ihm das Gefühl gaben, in einer Arena des alten Roms zu sein, waren den Leuten vorbehalten, die besonders vermögend waren. Davon gab es hier viele, und so mancher hatte sich eine Privatloge für alle Vorstellungen geleistet, nur wegen IHR. Sie kamen aus aller Welt nach Paris, nur um SIE in der – wie es schien – nur für SIE errichteten Oper singen zu hören.
Doch diese Neureichen, Adelsangehörigen und Präsidentenkinder interessierten Crane nicht. Seine blauen Augen blieben wie gebannt auf eine Loge gerichtet, die dem Mann gehörte, dem seine Aufmerksamkeit galt: dem Bischof.
»Du bist wirklich nicht schwer auszumachen«, riss ihn eine bekannte Stimme aus den Gedanken. »Hättest du dich nicht für eine etwas unauffälligere Aufmachung entscheiden können?«
Die Stimme des etwa vierzigjährigen Mannes, der sich sogleich mit einem breiten Grinsen neben Crane setzte, gehörte Gordon Philipps, seines Zeichens erster Sekretär des Bischofs und alter Wegbegleiter Cranes. Beide Männer reichten sich freudig die Hände und musterten erst einmal einander, da seit ihrer letzten Begegnung viel Zeit vergangen war.
»Was stimmt denn mit meiner Kleidung nicht? Ich finde sie passend«, meinte Crane und sah an sich herab. Er trug ein nachtblaues Priestergewand aus feinem Samt, das eindeutig für gehobene Anlässe gefertigt worden war, da es in seinem Orden nicht selten vorkam, dass er mit hoch gestellten Persönlichkeiten zusammentraf. Schließlich betrachtete er Gordon, der immerhin auch ein ähnliches Gewandt trug, nur glich dieses eher den herkömmlichen Vorstellungen eines Geistlichen.
»Nun, die Ornamente und Symbole lassen dich eher wie einen Hexenmeister aussehen. Die Leute gucken schon komisch«, gab Gordon zu verstehen.
»Dann sind sie bestimmt froh, wenn ein eindeutiger Gottesmann neben mir sitzt und ein Auge auf mich hat. Und die Ornamente und Symbole sind keinesfalls irgendwelche Spielereinen. Sie sind nötig für meinen Schutz. Schließlich bin ich nicht zum Vergnügen hier.«
Gordon nickte.
»Ja, leider.«
»Ich hoffe, die Sache wird nicht allzu dreckig. Sorelius wird stinksauer, wenn ich ihm wieder meine Ausgehuniform unbrauchbar zurückbringe. Es ist immer eine Heidenarbeit, die Dinger neu zu segnen und zu weihen.«
»Ja, und die Jungfrauen werden heutzutage auch nicht mehr.«
Crane sah Gordon entgeistert an. Dann begriff er, dass er sich über ihn lustig gemacht hatte und fing herzhaft an zu lachen, was ihm böse Blicke einbrachte, worauf er sich wieder beherrschte und sein rotes Haar und seinen Vollbart glatt strich.
»Leider haben mit meinem Job viel zu wenige Jungfrauen etwas zu tun. Ich treffe eher auf lüsterne Satansweiber und Sex-Dämonen. Da wäre es schon schön, mal auf eine junge Frau zu treffen, mit der man sich einfach nur unterhalten könnte, ohne Angst zu haben, dass sie einen gleich ins Bett ziehen will und sich als ein Srelaccus-Dämon herausstellt.«
Gordon sah Crane ernst an, um dann zur Loge des Bischofs hochzublicken. Dies war für Crane das unmissverständliche Signal, dass es mit dem freundschaftlichen Austausch vorbei war. Die Arbeit rief.
»Die Sache ist ernst. Jeden Abend kommt er nach hier, ausnahmslos. Er nimmt keine anderen Termine mehr wahr und lässt sich von nichts abbringen, hier zu erscheinen. Einmal kam er sogar
Weitere Kostenlose Bücher