Diabolos (German Edition)
Lebenden zu gelangen. Sie kommen aus “Re´grid Dath“. Ihre schwerfälligen, bleichen Leiber sind es, die über den harten Boden der Kammer schleifen.
Die darauffolgende Eintragung schockierte mich, war sie doch datiert auf den Tag meiner Geburt. Dabei hörte ich das leise Scharren, das die Nacht erfüllte, nur im Unterbewusstsein.
9. April 1890
Ich habe Doc Hammond kommen lassen, auch wenn es schon spät in der Nacht ist. Elaine geht es sehr schlecht, und doch haben die Wehen bei ihr eingesetzt. Der Doc hat mich und Jeremiah in die Küche geschickt, während er sich im Schlafraum um Elaine kümmert. Ab und zu verlangt er nach frischem Wasser und sauberen Tüchern. Ansonsten lässt er kein Wort verlauten. Doch kenne ich Hammond schon seit vielen Jahren. Und das, was ich in seinem Gesicht lesen kann, zeugt nicht von großer Zuversicht.
Elaine ist tot. Hammond sagte, sie sei körperlich zu schwach gewesen, um eine Geburt zu überstehen. Dem Kind, ein Junge, dem Jeremiah den Namen Adam zukommen lassen will, geht es gut.
Jeremiah ist bei dem Kind. Er weint. Ich lasse ihn erst einmal mit seiner Frau und dem Kinde alleine …
Wieder fehlten einige Seiten, in wilder Hast herausgerissen. Doch registrierte ich das ohne große Überraschung. Vielmehr verweilte ich in Gedanken in jener Nacht meiner Geburt, in der meine Mutter verstarb. Ich sah plötzlich meinen Großvater, Henry Wilkes, als Mann in einem Alter, in dem ich selbst jetzt war, wie er die schweren Worte in sein Tagebuch niederschreibt, während mein Vater mit mir auf dem Arm am Totenbett meiner Mutter sitzt und Tränen um sie vergießt. Fast schien es mir, als könnte ich die unheilvolle Stille dieser Nacht hören und spüren, die bedrückende Atmosphäre, selbst das Knarren der Balken und Dielen des alten Hauses. In diesen Augenblicken, während meine Finger über die scharfen Ränder der herausgetrennten Seiten strichen, verweilte ich in der Nähe meiner Vorfahren, die nun beide tot waren, und die in jener Nacht auf so entsetzliche Weise eng zusammengehalten wurden.
Benommen von einem überwältigen Gefühl der Zuneigung, selbst zu meinem gefürchteten Großvater, widmete ich mich wieder dem Buch und las auf einer der letzten Seiten weiter. Die untere Hälfte hatte das Feuer verzehrt, doch erreichte mich die schreckliche Botschaft der ersten Worte mit erbarmungsloser Härte.
27. April 1890
Ich kann nicht länger zusehen, wie sehr Jeremiah leidet. Elaines Verlust hat ihn gezeichnet, ein Schmerz, über den ihn selbst das Vaterglück nicht hinweg trösten kann.
Elaine ist seit sieben Tagen beerdigt. Jeremiah selbst war es, der wollte, dass sie in Arc´s Hill zur letzten Ruhe geleitet wurde. Jeden Tag verbringt er Stunde um Stunde auf dem alten Friedhof nahe den Wäldern. Wenn er dann am späten Abend zurückkehrt, ist er verschlossen und still und wirkt, als sei er nicht Herr seiner Gedanken. Ich mache mir ernstliche Sorgen um seinen Verstand. Immerhin sollte sich sein Augenmerk jetzt auf Adam richten, dessen Erziehung nun ansteht. Wie soll ein Mann in seiner Verfassung dazu in der Lage sein, sich in der großen Stadt um ein neugeborenes Baby zu kümmern, sei es auch sein eigener Sohn? Doch ich glaube, ich habe eine Möglichkeit gefunden, Jeremiah zu helfen. Dazu müssen wir die Kammer öffnen …
Ein Klopfen ließ mich herumfahren. Doch wer sollte mitten in der Nacht den Weg zum Haus suchen? Mein Blick fiel auf die seltsame, von Rauch und Asche geschwärzte Tür. Tatsächlich erzitterte sie bei jedem Klopfen, Staub rieselte gemächlich zu Boden.
Doch anstatt eiligen Schrittes die verfluchte Kammer zu verlassen, wandte ich mich mit rasenden Gedanken wieder dem alten Buch zu und las den nächsten Eintrag meines Großvaters.
Jeremiahs Verfassung ist so bedenklich, dass er keinen klaren Gedanken daran verschwendet, was wir tun. Wäre er dazu in der Lage, hätte er schon lange schreiend das Haus verlassen und mich der Hexerei bezichtigt. Stattdessen steht er neben mir, einem wandelnden Leichnam gleich, und hört mir zu, wie ich die Toten rufe.
Tatsächlich tut sich etwas hinter der Tür. Der Gestank wird schier unerträglich. Nie hätte ich mir erträumen lassen, es einmal mit eigenen Augen zu sehen. Endlich kann ich den Geräuschen Wesen zuordnen. Die Pforte nach “Re´grid Dath” beginnt sich zu öffnen …
Der Rest der Seite war verbrannt. Dann, auf der nächsten Seite …
Welch scheußliche Kreaturen beherbergt die Pforte auf der anderen
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