Diabolos (German Edition)

zwischen ihm und Crane eine andere Gestalt.
    SIE.
    SIE wandte sich direkt an das Geschöpf, hob beschwichtigend die Hände und ließ dabei eine gesummte Melodie erklingen, die sofort Cranes Sinne verwirrte, aber genauso das Wesen beruhigte.
    Dann drehte SIE sich um. »Gehen Sie! Sofort!«
    Die Stimme war fest und befehlend, jedoch gleichzeitig so wunderschön und eindringlich, dass Crane ihr nur zu gerne augenblicklich gefolgt wäre. Aber er nahm all seine Kräfte zusammen, kämpfte dagegen an.
    »Nein!«, verkündete er energisch, hob sein Symbol, vor dem sich sofort wieder eine Kugel bildete.
    IHR Gesicht verriet Entsetzen, aber auch Wut, ja, förmlich Hass ihm gegenüber, während das Wesen hinter IHR aufbrüllte und sich angriffsbereit machte. SIE aber stellte sich ihm noch mehr in den Weg, drehte ihm aber den Rücken zu, um Crane anzusehen.
    »Nicht! Er wird Ihnen nichts tun, wenn Sie einfach gehen. Gehen Sie! Jetzt!«
    IHRE Stimme war wie süßer Honig, so wundervoll. In Crane bildete sich der Wunsch, IHR zu gehorchen, aber er wehrte sich mit aller Macht.
    »Zurück!«, befahl er.
    SIE schüttelte den Kopf. »Aber er ist doch nur ein Kind, sehen Sie es denn nicht!«
    Fast flehten IHRE Augen, IHRE unvergleichlichen Augen. Und SIE schien zu leuchten, so wunderschön, sich ganz in IHR zu verlieren und …
    SIE verhexte seinen Verstand, machte ihn willenlos. Er musste sich wehren. Blitzschnell holte er sein Messer hervor und warf es nach IHR. SIE sah es wohl auf sich zukommen, konnte aber nicht mehr ausweichen. Es drang in IHRE Schulter ein und ließ SIE nach hinten gegen die Wand taumeln. Seine weiße Magie war wohl bei IHR wirkungslos, aber SIE war nicht unverletzbar.
    Manchmal ist es so einfach!
    »Nein«, entwich es IHR und von überall schienen Entsetzensschreie herzukommen.
    Auch das Höllengeschöpf brüllte auf, um sofort anzugreifen.
    Doch es kam nicht weit.
    Wie Crane vorausgesehen hatte, zeigte seine weißmagische Kugel eine durchschlagende Wirkung, als das Wesen im Lauf nach hinten gerissen wurde und hart gegen eine Mauer prallte, wo es achtlos hinabsank. Doch es war noch nicht besiegt. Crane konzentrierte sich und sofort bildete sich eine weitere Kugel über seinem Medaillon. Langsam, auf jede Bewegung achtend, ging er auf das Wesen zu, bereit, es endgültig zu vernichten.
    SIE lehnte an der Wand, sah ihn noch immer flehend an und kämpfte offensichtlich gegen die Schmerzen, aber es ging keinerlei Gefahr mehr von IHR aus.
    Crane hob gerade die Kugel, um sie dem angeschlagenen Wesen entgegenzuwerfen, als IHR Gesang erklang, der von den Gängen weitergetragen wurde und von überall, noch mehr als in der Oper selbst, zurückhallte, alles einnahm. IHR Gesang war wundervoll und drang sofort in Herz und Verstand, auch in Cranes, aber nicht mehr so stark wie vorher, was wohl an IHRER Verletzung lag.
    Er zwang sich, sich wieder auf das Geschöpf vor sich zu konzentrieren, das aber seltsam flimmerte. Je länger der Gesang andauerte, desto stärker wurde das Flimmern, bis es in einen Lichtstrahl überging, aufglühte und die Sicht auf einen etwa sechsjährigen nackten Jungen freigab.
    Crane hielt inne.
    War das wieder eine Täuschung?
    War es überhaupt eine Täuschung?
    Er hatte das unbestimmte Gefühl, etwas übersehen zu haben.
    Schon stand der Junge auf und lief weinend an ihm vorbei zu IHR, schlang seine Arme um SIE, während SIE ihn so gut es ging festhielt, IHREN Gesang aber nicht unterbrach.
    Was ging hier vor?
    »Gut gemacht, Crane! Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, hätte ich es alleine getan. Aber ohne dein Zauberspielzeug wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen.« Gordon Philipps Stimme war emotionslos, ja, fast arrogant, als er mit gehobener Waffe auf SIE zielend näher kam. »Die Hexe wird von so vielen Zaubern und Dingen beschützt, dass es unmöglich war, an SIE heranzukommen. Aber du, mein Freund, hast es natürlich geschafft. Bin beeindruckt.«
    »Vertrau ihm nicht!«, rief wieder die unmenschliche Stimme.
    Crane sah Gordon verständnislos an.
    »Was geht hier vor, Gordon? Wer ist SIE wirklich?«
    Gordon lachte. »Weißt du das noch immer nicht? SIE ist eine Hexe, einen Dämonenweib, die den Verstand der Menschen benebelt und sie willenlos macht. Selbst jetzt noch versucht SIE mit IHREM Gesang uns zu benebeln, aber SIE kann es nicht mehr, weil SIE verletzt ist. Und ich werde es jetzt endgültig beenden.«
    Gordon hob die Waffe und zielte mit hasserfülltem Gesicht auf