Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
Vom Netzwerk:
ja, er hieß Peter, die Erinnerung an sein Lachen macht mich sicher – er lachte auch, wie jemand, der Peter heißt, so lachte er. Erleichtert. Befreit.

    Durch den Auftrag und den Druck, unter dem wir – gerade durch das Vertrauen, das uns Peter entgegenbrachte – plötzlich standen, kam es – naturgemäß, würde ich sagen – zu Spannungen zwischen Judith und mir.
    Sie entluden sich in heftigen Streits, plötzlichen Eruptionen. Meistens war ich es, der auf irgendeine Kleinigkeit gereizt reagierte. Es ist der Stress, sagten wir und umarmten uns heftig. Ich glaube, wir haben uns nie so oft geküsst und einander beteuert, einander zu lieben, wie in dieser Zeit, weil unsere Angst, es könnte sich anders verhalten, größer war als unsere Gewissheit.
    Einmal musste ich wieder zu einer Besprechung in die Stadt. Wir hatten die erste Plakatserie gerade fertig. Ich sollte sie der Geschäftsleitung vorstellen und war auf alle möglichen Einwände vorbereitet. Am Morgen hatten Judith und ich abermals Streit, weil ich nicht wollte, dass sie zur Präsentation mitkam. Ich wollte – das war mir damals nur nicht bewusst – allein in die Stadt fahren, die Präsentation hinter mich bringen, und …
    Sie brachte mich mit dem Wagen zum Bahnhof. Zum Abschied sagte sie: »So kann es nicht weitergehen, wir müssen reden ...«
    Ich hatte viel Zeit für die Vorstellung eingeplant, doch es ging alles glatt. Peter stand mir bei, leistete – ein wahrer Profi – unterschwellig Überzeugungsarbeit bei den Bossen und machte so wett, was ich in meiner Nervosität an Eindringlichkeit vermissen ließ.
    Hinterher sagte er, und fast hätte er mir auf die Schulter geklopft: »Wir sind ein gutes Team.«
    Als ich ins Freie trat, verspürte ich keine Erleichterung. Hinter mir türmten sich sechsunddreißig Stockwerke Glas und Stahlbeton. [Diese Andeutung mag Ihnen verdeutlichen, mit welcher Firma ich es damals zu tun hatte, und wie wichtig der Auftrag für Judith und mich war.]
    Es war ein ungemein klarer, sonniger Tag. Instinktiv fürchtete ich – ja, das war mein Gefühl in diesem Augenblick –, eine falsche Bewegung zu machen, eine Bewegung, deren Folgen nicht abzusehen waren …
    Natürlich hätte ich sofort Judith anrufen müssen – hätte es bloß auch getan! –, ihr über den glücklichen Ausgang des Meetings berichten, aber ich wusste genau, dass wir uns dann gegenseitig sofort beteuern würden, dass jetzt alles anders und wieder gut werde. Zu oft hatten wir in der letzten Zeit zu ihr Zuflucht genommen.
    Ich schob den Anruf auf. Ohnehin erwartete meine Frau ihn zu einem so frühen Zeitpunkt – zur Beruhigung meines Gewissens schaute ich auf meine Armbanduhr – noch gar nicht, und vielleicht befürchtete sie Schlimmes, rief ich sie jetzt schon an.
    Später, ich wollte sie später anrufen, wenn sich die Bereitschaft dazu in mir einstellte, die erste Euphorie in mir abgeklungen war und es Judiths Stimme bedurfte, ihm eine Koordinate einzuziehen …
    Es zog mich ins Museum. Ich spürte es erst, als ich bereits auf dem Weg dorthin war. Zuvor – ich schwöre Ihnen – war mir nicht bewusst gewesen, was mich tatsächlich davon abgehalten hatte, Judith anzurufen.
    Ich weiß nicht, was ich mir von dem Besuch versprach. Vielleicht wollte ich einfach noch einmal spüren, das ich bei meinem ersten Besuch empfunden hatte, nein, um es genauer zu sagen: mich jenes Gefühls zu vergewissern, von dem ich vermeinte, es während meines Aufenthalts im Museum empfunden zu haben.
    Ich nahm ein Taxi, ließ mich – ich kannte die genaue Adresse gar nicht – in der Nähe absetzen und drang in das Winkelwerk schmaler Gassen ein, die unvermutet in kleine ovale Plätze mündeten, von dort wieder abzweigten und sich ineinander verstrickten.
    Ich war mir sicher, allein zum Museum zu finden. So oft muss ich, ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, den Weg dorthin in meinen Träumen gegangen sein, dass für mich kein Zweifel bestand, wohin ich mich zu wenden hatte. Doch bald blieb mir nichts als das Eingeständnis, dass ich keine Ahnung hatte, in welcher der Gassen, die von einem Platz in unterschiedliche Richtungen fortstrebten, ich mein Glück versuchen sollte. Die Torbögen – an ihnen suchte ich, mich zu orientieren – sahen alle gleich aus, alte Torbögen, gekrönt von den Häuptern antiker Fabelwesen mit weit aufgerissenen, leeren, nein: entleerten Augen – sie hatten zu viel gesehen – und halb geöffneten Mündern, zwischen deren verzerrten Lippen

Weitere Kostenlose Bücher