Diabolos (German Edition)
schlecht. Judith war sehr weit fort. Wie ein Exponat kam sie mir vor, ein Ausstellungsstück im Museum meines früheren Lebens.
Das Verhältnis zwischen meiner Frau und mir entspannte sich allmählich, und wir fanden wieder zueinander. Gegenseitig versuchten wir, einander unsere schlimme Zeit vergessen zu machen. Wir gaben uns heiter und sehr zuversichtlich, ließen es nicht an kleinen Aufmerksamkeiten mangeln, mit denen wir uns früher oft ohne jeden Anlass gegenseitig bedacht hatten, tauschten während der Arbeit Zärtlichkeiten aus und ließen sie – jeder von uns in der Annahme, der andere wünsche dies – weiter gehen, als die Tageszeit nahelegte. Wir sprachen viel über uns, immerzu über uns, doch tatsächlich begegneten wir einander damals bereits mit der Vorsicht von Menschen, die lediglich den – letztlich ohnehin schon unabwendbaren – Verlust des anderen fürchteten.
Wir redeten uns ein und versicherten einer dem anderen immer wieder, aus der schlimmen Zeit gelernt zu haben. Zu rasch waren wir versucht, sie in die Annalen unserer längst nicht mehr bestehenden Liebe eingehen zu lassen.
Ich muss gestehen, dass ich während meiner Beziehung mit Judith einige Affären gehabt hatte, kurze, rein physische Momente. Aus jeder fremden Umarmung vermochte ich mich ungerührt zu befreien, ohne ein Gefühl von Schuld Judith gegenüber zu empfinden.
Meine Partnerinnen – Zufallsbekanntschaften, aber auch Frauen aus unserem Bekanntenkreis – hatte ich stets so gewählt, dass keine Komplikationen zu befürchten waren. Wir klärten vorher alles ab, definierten das Ziel unserer Zusammenkunft, einigten uns auf die Methode der Verhütung und klärten vorab unser Verhältnis danach . Es waren Frauen, die wie ich nur kurz aus dem Rahmen ihrer Beziehung treten wollten, um sich, gesättigt, wieder in ihr Stillleben zu fügen.
Nichts blieb an mir haften. Zu glatt war mein Leben dafür. Ich selbst war an dem, was sich zwischen den Frauen und mir ereignete, überhaupt nicht beteiligt, sodass ich mir hinterher stets sagen konnte, ich sei Judith auch in diesen gierigen Augenblicken verbunden, ja treu geblieben. Jemand, der nur zufällig mit mir ident war, bediente sich meines Körpers, meines Geschlechtsorgans zu seinen Zwecken. Wirklich, so war es, ich beschönige nichts, und es liegt mir fern, irgendetwas vor Ihnen zu verharmlosen.
Die Affären, die ich in unserer schlimmen Zeit hatte, waren anders beschaffen und von einer Suche nach etwas bestimmt, das ich bei Judith nicht zu finden vermochte. Vielleicht auch gar nicht mehr finden wollte. Ich ging sehr systematisch bei der Wahl meiner Partnerinnen vor und wandte mich hinterher nicht mehr von ihnen ab, um leichten Herzens zu Judith zurückzukehren, sondern um vor ihnen die Enttäuschung zu verbergen, in ihren Armen nicht gefunden zu haben, wonach mich wirklich verlangte.
Judith ahnte so manches, wollte aber keine ihrer Vermutungen bestätigt wissen. Ihr war die Gabe zu eigen, die Augen stets im richtigen Moment zu verschließen und jeden Argwohn in sich im Keim zu ersticken. Sie liebte mich aufrichtig.
Sprach ich vorhin von einer schnellen Zeit, die ich durchlebt hatte, als ich zum ersten Mal das Museum aufgesucht hatte, so war es nach meinem zweiten Besuch eine kopflose, eine Zeit, der jedweder Halte-, jeder Fluchtpunkt, selbst die Andeutung einer Perspektive fehlte. Mein Lebenssystem war instabil geworden.
Immer öfter empfand ich meine Aufenthalte in der Stadt als Befreiung. Judith brachte mich mit dem Wagen zur Bahn, ich stieg ein, wartete mit Ungeduld auf das Anrucken des Zuges, quälte mir ein Abschiedslächeln ab und übersah geflissentlich das ernste Gesicht meiner Frau, die am Bahnsteig stand, zurückblieb und vielleicht ganz ähnlich fühlte wie ich.
Es gelang mir, Peter von der Notwendigkeit regelmäßiger Treffen zwischen uns zu überzeugen. Die erste Plakatserie war ein großer Erfolg. Es hieß sogar, Judith und ich sollten einen Preis dafür bekommen [daraus wurde aber nichts], eine zweite war gerade in Vorbereitung.
Peter stellte mir einen Arbeitsraum direkt neben seinem Büro zur Verfügung, bot mir sogar an, in seiner Wohnung – er lebte allein – zu übernachten, falls es einmal spät würde. In dieser Zeit – oder soll ich sagen: Phase? Der Countdown lief ja bereits … – waren wir Freunde geworden, jedenfalls betrachtete er sich als meinen, ich beließ ihn in der Annahme, auch ich sehe in ihm mehr als einen Auftraggeber. Wir entdeckten
Weitere Kostenlose Bücher