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Diabolus

Diabolus

Titel: Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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Morgensonne schob sich über die Dächer von Sevilla und schien hinab in die Häuserschluchten. Die Glocken der Giralda riefen zur Frühmesse. Das ganze Altstadtviertel hatte diesem Augenblick in stiller Erwartung entgegengefiebert. Die Türen flogen auf. Überall im alten Santa Cruz strebten die Familien auf die Gassen. Wie frisches Blut in den Adern des alten Barrio strömten sie dem Herzen ihres Pueblo entgegen, dem Kern ihrer Geschichte, ihrer Kathedrale, ihrem Schrein, ihrem Gott. Irgendwo in Beckers Gehirn klangen Glocken. Bist du schon tot? Fast mit Bedauern öffnete er die Augen und blinzelte in die ersten Sonnenstrahlen. Er senkte den Blick und hielt Ausschau nach seinem Mörder. Der Mann mit der Nickelbrille war nicht zu sehen, dafür aber zahllose spanische Familien im Sonntagsstaat, die die versperrten Pforten aufstießen und lachend und schwatzend auf die Gasse heraustraten. Hulohot stand am Anfang der Gasse und fluchte. Zuerst hatte er noch geglaubt, das einzelne Paar, das zwischen ihm und seinem Ziel aufgetaucht war, würde sich wieder trollen, aber der Klang der Glocken, der durch die Gasse schallte, rief immer mehr Menschen aus den Häusern. Ein weiteres Paar gesellte sich dazu, mit Kindern. Noch eine Gruppe erschien. Man begrüßte sich, küsste sich dreimal auf die Wange, unterhielt sich. Hulohot verlor sein Ziel aus den Augen. Wütend drängte er sich in die schnell anschwellende Menge. Er musste zu. David Becker vordringen! Er versuchte, sich zum Ende der Gasse vorzuarbeiten. Schnell steckte er in einem Meer von Leibern fest, zwischen schwarzen Jacketts und Krawatten, schwarzen Kleidern und über bucklige alte Frauen gebreiteten Mantillas aus Spitze. Die schwarz gekleidete Menge wogte ihm entgegen und schien ihn nicht wahrzunehmen. Verbissen kämpfte Hulohot sich durch. Mit erhobener Waffe stürmte er in das tote Ende der Gasse. Ein gepresster, kaum menschlicher Schrei entrang sich seinem Mund. David Becker war fort. Stolpernd und unter ständigem Ausweichen bewegte sich Becker durch die Menge. Immer den Leuten nach, dachte er, sie wissen, wie man hier herauskommt. Unten an der Kreuzung schwenkte er mit der Menge nach rechts. Die Gassen wurden breiter. Allenthalben schwangen die Türen auf, Menschen strömten heraus. Das Glockengeläut schwoll an. Beckers Seite brannte, aber die Blutung hatte aufgehört. Er lief weiter. Irgendwo hinter ihm war ein Mann mit einer Pistole und versuchte ihn einzuholen. Er zog den Kopf ein. Becker tauchte in den Gruppen der Kirchgänger unter und wieder auf. Er spürte, dass es nicht mehr weit sein konnte. Die Menge war angeschwollen, die Gasse noch geräumiger geworden. Das war kein Nebenfluss mehr, das war der Hauptstrorn. Die Gasse machte einen Bogen. Weit vorne an einem Platz sah Becker die  Kathedrale und den Giraldaturm aufragen. Der Klang der Glocken fing sich mit ohrenbetäubendem Gedröhn zwischen den hohen Mauern der Häuser, die den Platz umsäumten. Die Massen vereinigten sich zu einem schwarzen, den gähnenden Portalen der Kathedrale entgegenflutenden Strom. Becker versuchte sich seitwärts in die Calle Mateus Gago zu schlagen, aber die Menge keilte ihn ein. Schulter an Schulter, einander fast auf die Füße tretend, wurde er von der schiebenden Menge mitgeschleppt. Die Spanier hatten immer schon einen ganz eigenen Begriff von Gedränge. Becker fand sich zwischen zwei fülligen Matronen eingezwängt, die sich mit geschlossenen Augen vom Menschenstrom tragen ließen, während die Perlen des Rosenkranzes in inbrünstigem Gebet durch ihre Finger glitten. Der gewaltige Steinbau kam näher. Becker versuchte erneut, nach links auszubrechen, aber die fromme Erwartung, die blind gemurmelten Gebete hatten die Macht des Menschenstroms mit seinem Geschiebe und Gedränge noch verstärkt. Becker drehte sich um. Sein Versuch, sich gegen den Strom der Massen der frommen Gläubigen zurückzukämpfen, war so aussichtslos wie einen mächtigen Fluss stromauf schwimmen zu wollen. Er wandte sich wieder nach vorne. Die Portale der Kathedrale ragten vor ihm auf wie der Eingang zu einer düsteren Geisterbahn, auf der er gar nicht mitfahren wollte. David Becker war im Begriff, zur Messe zu gehen. 

KAPITEL 90
    In der Crypto-Kuppel plärrten die Alarmhörner. Strathmore wusste nicht mehr, wie lange Susan schon fort war. Er saß allein in der Düsternis, der TRANSLTR dröhnte zu ihm herauf. Du bist ein Überlebenskünstler . . . ein Uberlebenskünstler . . . Ja, dachte er, das

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