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Diabolus

Diabolus

Titel: Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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bist du - aber was ist das nackte Überleben schon wert? Lieber den Tod als ein ehrloses Leben in Schmach und Schande. Und Schmach und Schande war, was ihn erwartete. Er hatte dem Direktor Informationen vorenthalten. Er hatte den sichersten Computer der Nation mit einem Virus infiziert. Man würde ihn mit Schimpf und Schande davonjagen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Patriotische Absichten hin oder her, nichts hatte geklappt wie geplant. Es hatte Betrügereien gegeben und Tote. Es würde zu Anschuldigungen kommen, zu einem Gerichtsverfahren, zum öffentlichen Aufschrei der Empörung. Nachdem er seinem Land über so viele Jahre mit Anstand und Würde gedient hatte, konnte er ein solches Ende nicht zulassen. Ein Uberlebenskünstler sollst du sein ?, sinnierte er. Ein Lügner bist du!, gab er sich selbst die Antwort. Es stimmte. Er war ein Lügner. Er war nicht aufrichtig gewesen, zu einer ganzen Reihe von Menschen. Susan Fletcher gehörte ebenfalls zu ihnen. Es gab so vieles, was er ihr vorenthalten hatte, Dinge, für die er sich jetzt entsetzlich schämte. Seit Jahren schon war sie sein Ideal, sein Fleisch gewordenes Wunschbild. Nachts träumte er von ihr, schrie nach ihr im Schlaf. Er war machtlos dagegen. Sie war die schönste und klügste Frau, die er sich vorstellen konnte. Seine Ehefrau hatte sich nach Kräften bemüht, geduldig zu sein, aber nachdem sie Susan persönlich begegnet war, hatte sie alle Hoffnung fahren lassen. Beverly Strathmore machte ihrem Gatten seine Gefühle nicht zum Vorwurf. Sie hatte versucht, den Schmerz zu ertragen, so lange es eben ging, aber vor nicht allzu langer Zeit war es schließlich zu viel für sie geworden. Sie hatte ihrem Mann gesagt, dass ihre Ehe gescheitert sei. Sie könne nicht den Rest ihres Lebens im Schatten einer anderen Frau verbringen. Das Getöse des Alarms holte Strathmore allmählich aus seiner Lethargie. Sein analytisch geschultes Gehirn kam wieder in Gang und machte sich auf die Suche nach einem Ausweg. Zögernd musste sein Verstand absegnen, was sein Gefühl schon längst gefordert hatte. Es gab nur einen einzigen gangbaren Ausweg, nur eine einzige realistische Lösung. Strathmore senkte den Blick auf die Tastatur und begann zu tippen. Er machte sich nicht die Mühe, den Monitor wieder zurückzudrehen, damit er sehen konnte, was seine Finger mit Bedacht und Entschlossenheit schrieben. Meine lieben Freunde, ich nehme mir heute das Leben . . . Niemand würde jemals argwöhnisch werden. Es würde weder Fragen noch Anschuldigungen geben. Die Welt sollte haarklein erfahren, was passiert war. Viele hatten ihr Leben lassen müssen. Ein Leben musste allerdings noch geopfert werden.  

KAPITEL 91
    In der Kathedrale herrschte immer Nacht. Die dicken steinernen Mauern schluckten den Lärm der Außenwelt und verwandelten die Hitze des Tages in eine feuchte Kühle. So zahlreich die Leuchter auch sein mochten, sie machten die Dunkelheit bestenfalls zum Zwielicht. Überall hingen Schatten. Nur ganz hoch oben filterten Glasmalereien die Hässlichkeit der Außenwelt zu matten Strahlenbündeln aus Rot und Blau. Die Kathedrale von Sevilla, ein riesiges überkuppeltes Gebäude, ist die zweitgrößte Kathedrale Europas. Sie wurde im fünfzehnten Jahrhundert an Stelle der ehemaligen Moschee errichtet. Das damalige Minarett, la Giralda, wird heute als Glockenturm benutzt. Die Kathedrale ist über einhundertzehn Meter lang, der Hauptaltar befindet sich knapp jenseits der Gebäudemitte in einer eigenen zentralen Kapelle, der Capilla Major. Holzbänke füllen den riesigen Raum zwischen Eingang und Hauptaltar.  

    Becker fand sich auf halbem Weg zum Altar in der Mitte einer langen Bank eingekeilt. Über seinem Kopt schwang in Schwindel erregender Höhe ein silbernes Rauchfass von der Größe eines Kühlschranks an einem ausgefransten Seil unter Hinterlassung von Weihrauchschwaden in weiten Bögen hin und her. Das unverminderte Glockengeläut der Giralda sandte rumpelnde Schockwellen durch das Gemäuer. Beckers Blick kehrte aus der Höhe zurück und blieb am vergoldeten Altaraufsatz hängen. Er hatte jede Menge Grund zur Dankbarkeit. Er atmete noch. Er lebte noch. Es war ein Wunder. Während der Priester das Eröffnungsgebet sprach, untersuchte Becker seine Seite. Auf seinem Hemd prangte ein roter Fleck, aber die Blutung hatte aufgehört. Die Wunde war nicht besonders groß, ein Streifschuss, kein Durchschuss. Becker stopfte das Hemd wieder in die Hose. Er verdrehte den

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