Diabolus
Kommunion!
KAPITEL 92
Susan kletterte die Leiter zur Untermaschinerie hinunter. Das Gehäuse des TRANSLTR war inzwischen von dichten Dampfschwaden umwallt. Das Kondensat hatte die Laufstege feucht und schlüpfrig werden lassen. Susans Schuhe boten wenig Halt. Sie fragte sich, wie lange der TRANSLTR noch durchhalten konnte. Das Alarmhorn blökte seinen Warnruf, die Blinklichter blitzten alle zwei Sekunden auf. Drei Stockwerke tiefer heulte und vibrierte das Notstromaggregat. Irgendwo da unten in diesem nebeligen Halblicht war der Notschalter. Susan spürte, dass die Zeit allmählich knapp wurde. Strathmore hielt die Beretta in der Hand. Er las seinen Abschiedsbrief noch einmal durch und legte ihn in dem Raum, in dem er sich befand, auf den Boden. Er war dabei, eine feige Tat zu begehen, das stand völlig außer Frage. Aber bist du nicht ein Überlebenskünstler?. sinnierte er. Er dachte an den Virus in der NSA-Datenbank, an David Becker in Spanien, an seine Pläne für das Hintertürchen. Er hatte ja so viele Lügen in die Welt gesetzt, so viel Schuld auf sich geladen. Er wusste, dass es nur diesen einen Weg gab, sich der Verantwortung zu entziehen - und der Schande zu entgehen. Mit großer Sorgfalt richtete er die Waffe auf ihr Ziel. Er kniff die Augen zu und drückte ab. Susan war erst ein paar Treppenabsätze nach unten geklettert, als sie einen gedämpften Schuss vernahm. Das Geräusch war sehr fern und ging im Lärm des Silos fast unter. Aber Susan war sicher, sich nicht verhört zu haben, auch wenn sie außer im Fernsehen noch nie einen Schuss vernommen hatte. Den Nachhall des Geräuschs noch in den Ohren, blieb sie abrupt stehen. Eine Woge des Schreckens überrollte sie. Sie dachte an die Träume des Commanders - an den unglaublichen Coup, den er mit dem Hintertürchen in Diabolus gelandet hätte. Sie dachte an den Virus in der Datenbank, an Strathmores gescheiterte Ehe, an das gespenstische Nicken, mit dem er sie hatte gehen lassen. Sie befürchtete das Schlimmste. Wankend griff sie nach dem Geländer und drehte sich um. Nein, Commander! Nein! Susan erstarrte. In ihrem Kopf herrschte Leere. Das Echo des Schusses schien das Chaos ringsumher zu übertönen. Susans Verstand sagte ihr, dass sie weiter nach unten steigen musste, aber die Beine verweigerten ihr den Dienst. Commander! Ungeachtet der dem TRANSLTR drohenden Gefahr stolperte sie bereits wieder die Stufen hinauf. Blindlings rannte Susan die Gittertreppe hinauf. Von oben regnete das Kondensat herab. Beim letzten Stück des Aufstiegs die Leiter hinauf fühlte sie sich auf einmal durch eine gewaltige Dampfwolke emporgehoben, die sie wie einen Pfropf durch das Einstiegsloch in die dunkle Kuppel hinauspustete. Susan kugelte auf den Boden. Kühle frische Luft fächelte über sie hinweg. Die ehedem weiße Bluse klebte ihr klatschnass am Körper. Susan versuchte, sich zu orientieren. Das Schussgeräusch lief als Endlosschleife in ihrem Kopf. Aus der Einstiegsöffnung quollen heiße Dämpfe wie Gase aus dem Krater eines Vulkans kurz vor dem Ausbruch. Sie hätte sich ohrfeigen können, dass sie die Beretta bei Strathmore zurückgelassen hatte. Sie hatte sie doch dort gelassen, oder etwa in Node 3 ? Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt. Sie schaute hinüber zu dem klaffenden Loch in der Glaswand. Im schwachen Glimmen des Monitors konnte sie Hale ausmachen, der dort, wo sie ihn verlassen hatte, bewusstlos am Boden lag. Von Strathmore war nichts zu sehen. In Erwartung des Schlimmsten wollte sie sich zum Büro des Commanders aufmachen. Doch als sie sich umdrehen wollte, bemerkte sie etwas Merkwürdiges. Sie trat ein paar Schritte näher und spähte durch das Loch. Hales Arm war in dem schwachen Licht deutlich zu sehen. Er ruhte nicht neben seinem Körper, sondern reckte sich hoch zu seinem Kopf. Hale war auch nicht mehr verschnürt wie eine Mumie. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken. Hatte er sich befreien können? In tödlicher Ruhe lag er da. Susan spähte zu Strathmores Büro hinauf.
»Commander?« Stille. Zögernd trat sie noch näher. Hale hatte etwas in der Hand. Es schimmerte matt im schwachen Licht des Monitors. Plötzlich erkannte sie, was es war. Es war die Beretta. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Ihr Blick folgte dem
Bogen von Hales Arm hinauf zu seinem Kopf. Ein grotesker Anblick bot sich ihr. Eine Hälfte von Hales Gesicht war blutüberströmt. Eine dunkle Lache kroch über den Teppich. Oh mein Gott! Susan
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