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Diadem von den Sternen

Diadem von den Sternen

Titel: Diadem von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gewellten Hügel, die sich in anmutigen Bögen zu der Ebene hinabsenkten.
    Sie richtete sich auf, streckte sich. Die kalte, frische Morgenluft fächelte über ihre Seiten und löste Schauer aus, die ihren müden Körper durchfuhren. Sie zog den Umhang wieder um sich und suchte die Umgebung ab.
    Die Sinaubar-Ringe standen auf den Hängen, lockerten die Monotonie des allgegenwärtigen Teppichs aus festem, purpurnem Federgras. Es waren seltsame Gewächse, und sie blinzelte, weil sie sie das erste Mal bei Tageslicht sah. Sie wuchsen stets ringförmig, da sie, wie manche Pilzart, aus einer gemeinsamen Wurzel sprossen. Auf den ersten zwei oder drei Metern hatten sie keine Zweige. Dann stiegen nach unten geneigte Äste in einer ungleichmäßigen Spirale auf und um die sich abschälende Rinde, bis der Baum an eine kegelförmige Scheuerbürste erinnerte. Die dunklen Blätter - blaugrüne Fäden, die in dichten Bündeln um eine Mittelader wogten -liefen von Knotenpunkten an den Zweigen sternförmig aus.
    Aleytys schwankte im Sattel und versuchte sich auf die heitere, in kräftigen Farben gemalte Landschaft zu konzentrieren - purpurnes Gras, blaugrüne Blätter, roter Himmel. Es war, als blickte man auf ein aus der Ferne gesehenes Gemälde, dem ihre Erschöpfung eine eigenartige Unwirklichkeit verliehen hatte.
    Sie schluckte und stellte unvermittelt fest, daß ihr Mund trocken war, ihre Lippen wund und rissig. Vorsichtig beugte sie sich vor und versuchte, den Wasserschlauch loszuhaken, aber ihre tauben Finger krümmten sich in unmöglichen Winkeln oder weigerten sich gar, sich zu krümmen. Mehrere Male öffnete und schloß sie ihre Fäuste, sah ihre Hände rosa werden, als sich der Kreislauf erneuerte. Dann zog sie den Knochenstöpsel heraus, hob den Schlauch und drückte einen Wasserstrahl in ihren Mund und über ihr Gesicht, bis das eisige Stechen ihren Verstand wieder in Gang setzte. Sie verstöpselte den Schlauch wieder, hängte ihn an den Haken zurück und atmete die frische Luft ein. Sie begann, sich wieder lebendig zu fühlen. Sie schnalzte den Pferden zu und brach wieder in südlicher Richtung auf.
    Als sich Horlis untere Peripherie vom Horizont löste, veränderte sich das Land, wurde steiler, felsiger, Eisenholz nahm die Stelle der Sinaubar ein. Bald schob sich die Stute durch eine Reihe süßer Raushani und hielt an einem Ufer, das sich steil zum Bach hinuntersenkte. Nachdenklich starrte Aleytys auf das schäumende Wasser.
    Nahezu senkrecht fiel die Schlucht ab. Sie drängte die Stute vorwärts und brummte, als die Neigung des Tierrückens zusätzlichen Druck auf ihre zerschundenen Schenkel ausübte.
    Sie hielt die beiden Pferde in der Bachmitte an und blickte über das Wasser hinweg abwärts. Soweit sie sehen konnte, neigte sich das Bachbett in einem steilen Winkel bergabwärts, die Ufer behielten die gleiche Höhe bei. Die Schluchtwände wurden immer höher.
    Etwa einen halben Kilometer weiter schien sie sich auf eine Wiese zu öffnen.
    „Das sieht interessant aus, mi-Muklis mayal. Wette, ihr könnt beide etwas Ruhe und Futter gebrauchen.” Sie gab der Stute ihre Absätze zu spüren und setzte sie bachabwärts in Gang; der Hengst folgte ihnen.
    Nach etwa einer halben Stunde wurde der Boden eben, und Aleytys seufzte vor Erleichterung. Sie richtete sich im Sattel auf und sah sich mit lebhaftem Interesse um. Der Boden in dem kleinen Tal war mehr oder weniger eben und mit Khiragras flauschig gepolstert; im gespenstischen Morgenlicht leuchtete es hellgrün. Rechts von ihr, ziemlich weit entfernt, begrenzte Ballut- und Bydarrakh-Dickicht die Wiese.
    Keine Horan.
    Keine Horan. Sie seufzte. Das Fehlen der glänzenden Bäume vermittelte ihr ein seltsam hartes Gefühl des Verlusts, ungleich schlimmer als das Gefühl, das der Verlust Vajds in ihr wachrief.
    Zum ersten Mal verspürte sie in ihrem Innersten den Verlust ihrer Heimat. Es war ein tiefes, bis ins Knochenmark schneidendes Begreifen … Für den Rest ihres Lebens würde sie auf fremdem Boden leben, nie wieder würde es einen Ort geben, wo sie hingehörte. Sie zuckte mit den Schultern und wandte den Bäumen den Rücken zu.
    Die linke Talseite war eine steile Klippe - die mindestens fünfzig Meter hoch angewachsene Wand der Schlucht. Interesse flammte in ihr auf, als sie in Bodennähe, halb hinter einem Saum von Dornenbüschen und einigen schlanken Eisenhölzern versteckt, eine tiefe Aushöhlung sah. Sie drängte die Stute vorwärts, vorsichtig an den nadelspitzen

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