Diadem von den Sternen
Aleytys trat an die Tür und blickte nach Westen. Hesh war völlig verschwunden, und von Horli war auch kaum mehr etwas über den Bäumen zu sehen.
Besser, ich hole mir ein bißchen Holz herein, dachte sie.
Das letzte Licht war ein verblassender roter Fächer, der durch einen Spalt in den schweren Wolken stieß, als sie die letzte Ladung Holz neben der Feuerstelle ablud und wieder hinausging. Große Regentropfen prasselten wuchtig herunter. „Zumindest sind die Pferde unter einem Dach.” Sie kicherte. „Sogar ein Schuppen hinter dem Haus, mit Krippe und allem drum und dran. Er muß ein Mann sein, der seine Bequemlichkeit liebt, und kein schlechter Kerl; er denkt auch an seine Pferde.”
Sie seufzte und reckte sich, und die Regentropfen klatschten in ihr nach oben gewandtes Gesicht. „Spreche immer mehr mit mir selbst. Nun, solange ich nicht anfange, mir auch noch zu antworten
… Ahai!”
Sie schlug die Fensterläden zu und schob den Riegel wieder vor.
Drinnen konnte sie kaum die Bündel sehen, die in der Mitte des Raumes lagen. Nach einigen von zahlreichen düsteren Ausdrücken begleiteten Versuchen schaffte sie es, einen Kerzenstummel anzuzünden. Sie setzte ihn in die Mitte der Feuerstelle, lehnte sich zurück, streckte sich, harkte ihre Finger durch ihr Haar und kratzte sich dann emsig. „Ai-mi, ob ich mich je ans Reiten gewöhnen werde?” Sie betrachtete ihre Fingernägel. „Und ich benötige unbedingt ein Bad.”
Nach dem Abendessen saß sie im Schneidersitz auf einem Tufan-Stück vor der Feuerstelle. Das rotgoldene Licht spielte behaglich auf ihrem Gesicht, während draußen der Wind um die Ecken der Hütte heulte, obwohl sich das Unwetter zu einigen vereinzelten Regentropfen abgeschwächt hatte. Sie seufzte vor Wohlbehagen; ein sanfter, warmer Frieden umhüllte sie. Die Ellenbogen auf ihre Knie gestützt, lehnte sie sich vor und starrte in die Flammen, bis sie in einen sanften Schlummer glitt.
Die Helligkeit breitete sich aus, tastete hinaus, umhüllte die beiden Pferde, die hinter dem Haus dösten … Tastete weiter … Ein Tars schlich durch die dunkle Nässe des Waldes, pirschte sich an ein Fral heran, das in einem Raushani-Dickicht Schutz gesucht hatte…
Dunkler, roter Blutdurst… Blinde, grüne Panik… Weitergleitend …
Warme Schlafgedanken tief unter der Erde … Das Ziehen von kühlem und geduldigem, perlend lachendem Wasser im tief-schnellen Fluß… Fühlen … Langsam … langsam … langsam… langsam…
Äonenwendende Baumzyklen … und durch das Ganze fädelte sich ein Gefühl der Wachsamkeit, ruhige, warme Weisheit… führend…
drängend … bewachend…
Plötzlich wurde sie sich ihrer selbst als losgelöstes Ich bewußt. Sie schwebte in einer treibenden Lichtströmung, drehte sich, stieg auf, fiel, tauchte in flüssiges goldenes Leuchten ein, stieg wieder daraus empor … langsam zuerst, dann schneller, jagte auf eine zusam-men-geklumpte, pulsierende Helligkeit zu … Wickelte sich darum herum…
Ein scharfes Knacken… Ein kleiner, durchdringender Schmerz…
Abrupt ins Hier und Jetzt zurückgerissen, blickte Aleytys hinunter.
Eine nadelfeine Lichtspitze brannte auf ihrem Knie, ein Funke, der im Stoff ihrer Abba schwelte. Mit einem zittrigen erschreckten Lachen schnellte sie den Funken auf den Stein zurück und drückte die Glut mit dem Daumen aus. Dann streckte sie sich und gähnte und drehte sich auf die Seite. Sie ließ ihre Hand auf ihrem Arm ruhen und starrte wieder ins Feuer.
Mit warmem und entspanntem Körper, behaglich müde, beobachtete sie, wie sich flüssige Bilder auf den Scheiten bildeten und wieder erstarben. Wieder trieb ihr Geist hinaus. Der Tars fraß … Eine strahlende, blaue Aura, glänzendes Mörderleuchten. Übelkeit säuerte ihren Mund. Die Augen geschlossen, bewegte sie sich unruhig auf dem Tufan. Tier, Raubtier, seiner Natur gemäß… Der Mensch ist auch ein Raubtier … dachte sie unbehaglich. Sie verschmolz tiefer mit dem Tars, kostete die salzige Hitze der blutigen Fleischbrocken …
flammend lebendig … frei und wild dahin-schreitend … Reißen, krallen, kauen, schlucken… Zitternde Brocken von blutigem Fleisch …
Säfte, die eine gierige Kehle hinunterrannen… Töten … Sich in vollendeter Harmonie bewegende Muskeln … Bewußt… Bewußt. . .
Mehr als ein Tier! Aber wahrscheinlich weniger als ein Mensch…
Mit einem Kopfschütteln befreite sich Aleytys, ein wenig beschämt, mehr als nur ein bißchen überrascht über die
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