Diadem von den Sternen
sie nie an, nicht einmal, wenn sie nahe herankam; sie sprachen nicht mir ihr und nahmen ihre Gegenwart auf keinerlei Weise wahr. Die Sklavinnen schlugen das Hornzei-chen, um Unglück abzuwenden, doch sie waren derart unterdrückte Arbeitstiere, daß sie nicht einmal genug Mut hatten, gegen ihre Anwesenheit zu rebellieren.
Anfangs kauerte sie auf den Stufen des Sklavenwagens, während die Karawanenleute in ihren täglichen Etappen von Lager zu Lager zogen. Dann wurde sie kühner, löste den schwarzen Hengst Mulak aus der Pferdeherde und nahm ganz offen Sattel und Zaumzeug für ihn. Doch jedesmal, wenn sie in den Sattel stieg, stellte sie fest, daß Tarnsian sie nicht vergessen hatte. Das Schwarz legte sich über ihren Geist und blieb da, bis sie wieder abstieg. Er ließ sie nicht gehen.
Nach mehreren Tagen in trockenen Lagern fuhren die Taivan in eine große Lichtung ein, die an den mächtigsten und lautesten Fluß grenzte, den sie je gesehen hatte.
Aleytys nahm Handtuch und Seife aus einem der Wohnwagen und trug ihre zusammengesammelten Besitztümer zum Fluß hinunter.
Irgendwann kam sie an ein tiefes Becken, das von einem Felsvorsprung und einer dichtstehenden Gruppe junger Bydar-rakhs vom Lager abgeschirmt war. Sie zog Bluse und Hose aus, sprang ins Wasser und schrubbte sich ab. Obwohl Tarnsian sie schon seit einiger Zeit nicht mehr berührt hatte, fühlte sie sich noch immer unrein. Mit Sand und Seife rieb sie sich ab, bis ihre Haut rosa schimmerte und angenehm prickelte. Dann schäumte sie ihr Haar ein und spülte die Seife fort, spritzte Wasser über ihren Kopf, bis sie lachte und vor lauter Überflutung prustete.
Mit einem Seufzer des Vergnügens stieg sie aus den Fluten und setzte sich ins Gras, um die schwere Masse ihres Haares so trocken wie möglich zu reiben. Ihre Erkältung war mit den Prellungen verklungen, aber sie wollte nicht zu viele Risiken eingehen. Sie blickte auf den Fels, der das Lager verbarg, und seufzte. Kein Entkommen.
Keine Zuflucht. Nicht hier.
Sie glitt in Bluse und Hose zurück und breitete das Handtuch zum Trocknen neben sich aus. Die Hände um ihre Beine verschränkt, das Kinn auf den Knien, das Haar über ihren Schultern ausgebreitet, um es fertig trocknen zu lassen, so sah sie dem Wasser zu, wie es an ihren Zehen vorbeifloß, und dachte über die vergangenen Tage nach.
„Ich scheine ein Überlebenstyp zu sein. Mutter -wo immer du auch steckst, wenigstens hast du mir eine gewisse Zähigkeit vererbt”, murmelte sie.
Die Bewegungen des Wassers beruhigten sie, so daß sich ihre Körperrhythmen verlangsamten, ihr Geist sich besänftigte, die Gedanken einer nach dem anderen dahinglitten… Wie Perlen an einer Sorgenschnur. Noch sieben Tage, dachte sie. Noch sieben Tage bis zum Massarat. Er muß irgendwann einen Fehler machen. Madar, wie stark er ist. Ich kann mich nicht gegen ihn wehren. Ahi, Ai-Aschla, vielleicht ist er eine Minute lang unachtsam . .. Gib mir nur eine Minute Vorsprung…
Sie saß im Gras und schwelgte in der Wärme der Sonnen, die tief über den Bergen hingen, und genoß das gute, saubere Gefühl auf ihrer Haut und in ihrem Haar. Sie atmete ein und wieder aus. Sie sah das Wasser an sich vorbeigleiten, sah, wie es leise rauschend um die hinderlichen Felsen herumwirbelte, und genauso wand es sich um ihren Geist. Die wechselnden Formen, blaue und grüne Schatten, die flachen Linien, die in die Oberfläche geprägt waren, stets dieselben und doch immer wieder anders … Sie fingen ihre Sinne ein, bis sie tief im Innersten ihres Ichs froh war, am Leben zu sein. Sie sog einen tiefen Atemzug der Spätnachmittagsluft ein. Es war gut zu leben …
Ihre Gedanken schweiften zu Vajd zurück. Wieder sah sie ihn neben sich stehen, das Mondlicht schnitt tiefe Furchen in sein Gesicht, seine Hand zitterte auf ihrem Schenkel. „Haß macht die Dinge häßlich”, sagte er dann. Sie konnte seine tiefe, sanfte Stimme hören. Selbst wenn ich sein Gesicht vergesse, dachte sie, werde ich mich an seine Stimme erinnern, an die Berührung seiner Hände. Ich war damals so unschuldig, habe mit Vari durch die Flure gekichert.
Es war ein gutes Leben, dachte sie, ein paar schlechte Momente, das ist alles. Sie haben mich beschützt, meine Freunde … Ziraki und Suja und Zavar, und sogar die lustige kleine Twanit, und der liebe, liebe Chalak … Sie dachte an sie alle zurück, schätzte die Erinnerung und lachte warm vor Dankbarkeit.
„Du kannst also noch lachen!” Die schrille Stimme
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