Diadem von den Sternen
Joch empor. Aleytys wandte sich wieder dem Fluß zu und ließ sich auf das Gras nieder. Sie starrte ins Wasser und wartete.
Khateyat kehrte zurück; kurze Seilstücke lagen in ihren Händen.
9
Die Wehen folgten immer dichter aufeinander. Aleytys klammerte sich an Khateyats Hand, Furcht und Schmerz wirbelten in ihr durcheinander. „Khatya“, keuchte sie. „Mutter …“
„Psstt, Leyta, alles ist gut. Keine Sorge.“ Khateyats Stimme schnitt durch den Schmerznebel und breitete sich wie eine beruhigende Salbe über ihrem Geist aus. Sie drückte Aleytys’ Hand und fegte ihr Haar aus dem schwitzenden Gesicht.
Aleytys keuchte und zitterte. Das niedrige, gekrümmte Chon-Dach schien auf sie herunterzustoßen, so daß ihr Atem in der Kehle steckenblieb und ihr Kopf schmerzhaft pulsierte. Sie wand sich, versuchte, sich aufzusetzen, aber feste, sanfte Hände drückten sie wieder hinunter.
„Khatya“, stieß sie keuchend hervor. „Nicht hier drinnen. Bitte. Nicht hier drinnen.“ Sie schob die anderen Hände beiseite und wälzte sich auf die Knie. „Hilf mir.“
„Es bleibt keine Zeit mehr.“ Kheprat berührte mit warnender Hand ihre Schulter.
„Hilf mir bitte“, wiederholte Aleytys drängend, dann knurrte sie, als ein weiterer Schmerz durch ihren Körper fuhr. „Ich möchte am Fluß sein. Bitte.“ Sie drehte ihren Kopf hin und her, Schweiß perlte von ihrer Stirn. „Glaubt mir, ich muß zum Fluß gehen, es ist wichtig für mich.“
Khateyat untersuchte sie eine Minute lang konzentriert, dann nickte sie. R’prat und N’frat nahmen Aleytys’ Arme und halfen ihr aus dem Bett. Die anderen Frauen rollten die Geburtsleder auf und folgten. Kheprat schüttelte mißbilligend den Kopf und streckte ihre Hand nach Khateyat aus.
Es war sehr früh am Morgen. Horli stieß ihre Spitzen über den Berg; ein Rubin auf dem Ring der Welt. Der schmale Baumstreifen schrieb in rotgetönter Kalligraphie lange Schatten auf die sandige, steinspitze Erde, während das Wasser den Hang heruntertanzte, klar und kalt, blau-grün-blau, mit leisem, melodischem Tosen, das wie Sahne über ihre Nerven glitt.
Auf einer ebenen, grasbewachsenen Stelle breiteten sie die Leder aus; das kräftige, rote Licht spendete Wärme. Die beiden jungen Shemqya halfen ihr nieder. Die Schmerzen hielten sie jetzt in nahezu beständigem Griff. Sie streckte sich aus, ließ ihren Geist treiben, sich mit dem Wasser verschmelzen und mit der Luft und dem Himmel, dann wurde der Schmerz zu einer Kraft, die von Jaydugars Blut und Knochen selbst emporquoll.
Ein lautes Schreien durchschnitt das ruhige Gemurmel des Morgens.
Aleytys fühlte sich schlaff, wie ausgewrungen. Khateyats Gesicht stand lächelnd, sanft, über ihr. „Du hast einen Sohn geboren, Aleytys.“ Ein weiterer zorniger Schrei ließ den Satz zerfasern. „Einen kräftigen und hungrigen Jungen.“
10
Behäbig rumpelten die Wagen den Anstieg der Berge hinauf und wälzten sich dann eine ausgefahrene Straße entlang in ein breites, steilwandiges Tal. Aleytys saß neben Khateyat; sie zog die Kragenriemen der Bluse auf und entblößte eine Brust, damit Sharl saugen konnte. „Hier überwintert ihr?“ Sie blickte sich in dem öden, dampfenden Tal um. „Wo fressen die Yd’rwe?“
Khateyat schwieg, da sie sich darauf konzentrierte, das Gespann durch eine nach unten geneigte S-Kurve zu treiben. Als sie die gefährliche Wegsstelle hinter sich hatten, entspannte sie sich. „Bis auf den Zuchtstamm werden alle geschlachtet.“ Sie zeigte auf den felsigen Boden hinunter, der durch seine verstreut liegenden heißen Quellen Dampf in die Luft entließ. „Dies ist das Schlachtgelände. Dort …“ Sie nickte zu einer monolithischen Felswand, die aufstieg, um in der Wolkendecke verloren zu gehen. „Dort drüben ist das Gras dicht und üppig, der Boden vor den schlimmsten Winterstürmen geschützt. Wir mußten einige Male darum kämpfen.“
„Kämpfen?“
Khateyat zuckte mit den Schultern. „Oft wird eine andere Sippe habgierig, oder der Winter ist härter als gewöhnlich, so daß die weniger geschützten Stellen nicht mehr gut genug sind, Leben zu erhalten … Also kommen sie mit Männern und Magie und bedrohen uns.“ Sie blickte finster drein. „Wenn dieser Winter schlecht ist, sind wir um eine Person schwächer.“
„Meine Schuld.“
„Nein. Nicht du. Die Gier des Khem-sko.“
Das Schweigen zwischen ihnen dauerte an, bis der Herret über den Talboden schaukelte. Dann seufzte
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