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Diadem von den Sternen

Diadem von den Sternen

Titel: Diadem von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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während sie höher und höher stiegen. Irgendwann stolperte sie mehr, als daß sie ging; sie lehnte ihren Kopf gegen seinen Hals, schloß ihre brennenden Augen und ließ ihn den Weg die Straße hinauf finden.
    Plötzlich ging sie immer schneller, bis sie dahinzufliegen glaubte; das Gehen war so leicht … So leicht? Der Schmerz in ihren Knien verschwand. Mulak wieherte. Ein Schleier der Müdigkeit wirbelte durch ihren Kopf, doch sie blickte sich um. Obwohl die Luft noch immer ihre Lungen verbrannte und wie ein Messer hineinschnitt, so oft sie einen tiefen Atemzug machte, ging sie über ein mehr oder weniger ebenes Stück Boden. Auf beiden Seiten des schmalen, gefurchten Weges erhoben sich kahle Felsen zu Nadelspitzen. Sie lächelte, dann lachte sie geradezu. „Der Tangra Suzan“, rief sie triumphierend. „Mulak, wir sind über den Scheitel.“
    Fünf Minuten später umrundete sie eine Felsvorwölbung und stand am Rande eines weiten Abhanges. Tief unten lag etwas fernes Flaches, blau und dunstig, das sich immer weiter, bis zum Rande der Welt, erstreckte. „Wir haben es geschafft, Mulak. Das da draußen, das ist das Große Grün.“ Sie drehte sich um und starrte forschend, besorgt zum Himmel empor; ihre Augen überschattete sie mit der Hand. Hesh schwebte zwei Handbreiten über dem Horizont. Aleytys seufzte und brach wieder auf, dieses Mal bergabwärts. Auf dem steilen Serpentinenweg, der sich auf der anderen Seite des Passes hinunterschlängelte, blickte sie zu Horli zurück und lächelte rachsüchtig. „Hoffentlich erwischt die Große Hitze diesen Bastard genau in der Mitte dieser Bratpfanne!“
    Bergabwärts zu gehen erwies sich als noch größere Plagerei für ihre Beine. Sie ging weiter, hinunter, um Felsen herum, weiter, bis ihre Knie völlig auszuleiern drohten. Nach der vierten Serpentine ließ sie sich schwer auf einen am Wegesrand liegenden Felsen fallen und begutachtete ihre Fußsohlen. Die Haut war pergamentdünn abgelaufen, mit Quetschungen übersät, die von den Steinen herrührten; ein abstraktes Muster rotpurpurner Flecken war über den malträtierten grauen Untergrund verteilt. „Ahai! Ai-Aschla“, murmelte sie, wackelte mit den Zehen und schüttelte den Kopf. Sie fühlten sich seltsam an, taub, als würden sie in durchsichtigen Hüllen stecken. „Wenn das so weitergeht“, flüsterte sie, „werde ich sie bis zu meinen Knien ablaufen. Mulak, Aziz-mi, ich weiß, du bist müde, aber ich muß eine Weile auf dir reiten.“
    Immer tiefer ging es hinunter, auf einem Weg, der sich endlos auszudehnen schien. Rast während der Großen Hitze. Eine Pause, damit das Pferd grasen konnte. Saufen. Immer nur einen Schluck. Weitergehen. Hinunter. Trockene, geschmacklose Brotbrocken hinunterschlingen. Gehen. Reiten. Wieder gehen, um die Kraft des Pferdes zu schonen. Hinunter …
    Nach dreitägiger Quälerei den Berg hinunter, stolperte Mulak, brach in die Knie, Aleytys wurde aus dem Sattel geworfen.
    Sie rappelte sich auf die Ellenbogen hoch und rieb ihre schmerzenden Augen. Mit einer gewaltigen Anstrengung schaffte sie es, ihren Blick zu konzentrieren. Der Hengst stand mit hängendem Schädel da, schmerzhaft hoben und senkten sich seine mageren Seiten. Sie setzte sich auf und rieb ihre Hände übers Gesicht, versuchte zu denken.
    War Hesh verdeckt, so war die Große Hitze brutal, unerträglich, jedoch nicht tödlich. Deshalb hatte sie derart vorwärts gedrängt. Sie sah das Pferd an. Zu sehr. Sie riß sich zusammen, kam auf die Füße, schwankte und fiel beinahe wieder um; die Welt um sie herum drehte sich. Irgendwann wurde sie wieder stabil. Sie taumelte zu ihm hinüber und kniete nieder, um die Risse an seinen Vorderfußwurzelgelenken zu untersuchen. Schwache Tränen quollen in vergeblicher Reue für ihre Gedankenlosigkeit aus ihren Augen; sie preßte ihre Finger über die Wunden und ließ den Kraftstrom durch ihre Hände fließen. Die Welt kreiste und wurde grau, dann stürzte sie in Finsternis.
    Irgendwann wachte sie wieder auf und merkte, daß Mulak mit seinen Nüstern gegen ihren Kopf stieß. Sie hob ihre Hand, um ihn wegzuschieben, und war überrascht, sich selbst so schwach zu fühlen. An jedem Glied zitternd, so daß sie ihre Bewegungen ganz behutsam steigern mußte, schaffte sie es schließlich, auf ihre Füße zu kommen. Sie hielt sich am Steigbügel fest und ließ ihren Kopf sich beruhigen und die Benommenheit vergehen. In den Sattel zu kommen war völlig unmöglich. Sie versuchte es nicht

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