Diadem von den Sternen
von seinem Pferd herunterschweben, Ewigkeiten brauchte er, bis er den Boden berührte … Wie ein verirrtes Blatt schwebte er in der Luft. Sie sah ihn stehen und sie anstarren, seine Gesichtsmuskeln verzerrten sich langsam zu einer Maske des Hasses. Sah ihn langsam nach dem hinter seinem Gürtel steckenden Messer greifen. Sah, wie er lange, lange Minuten brauchte, um diese Bewegung zu vollenden, lange Momente, um das Messer heraus- und hochzuziehen. Sah ihn rennen, heranspringen, langsam, langsam, direkt auf sie zu … Langsam auf sie zu, als wäre die Luft in zähes Wasser verwandelt … Auf sie zuspringen, das Messer vorgestoßen, die Klinge glänzte rot im Licht der Sonnen.
Und dann bewegte sich ihr Körper. Sie keuchte. Ohne es zu wollen, bewegten sich ihre Hände hoch und vor. Sie hing irgendwo hinter ihnen, sah verwundert zu, ohne zu begreifen, was mit ihrem eigenen Körper geschah. Ein Bein kam hoch, mit dem anderen stieß sie sich vom Boden ab; der ausgestreckte Fuß erwischte die Hand, die das Messer hielt, ließ das Messer langsam davonwirbeln, wirbeln, sich in einer Adagio-Spirale drehen.
Federnd landete sie, sprang zur Seite, wich seinem langsamen, drehenden Zugriff mit Leichtigkeit aus. Dann verschränkten sich ihre Finger miteinander, und als Tarnsian an ihr vorübertaumelte, schlug sie sie in sein Genick.
Plötzlich beschleunigte sich sein Körper. Sie hörte ein leises Knacken, wie von einem Zweig, der unter einer Fußsohle brach.
Ausgestreckt, mit aufs Geratewohl fallenden Armen und Beinen, schlug er auf dem Boden auf, fiel in sich zusammen, federte leicht hoch und wieder zurück und blieb – seltsam verflacht – liegen.
Aleytys starrte auf ihn hinunter, während das Entsetzen in ihrem Magen ekelhaft zunahm. Ohne auf die erschrockenen Ausrufe der Shemqyatwe zu achten, fiel sie neben ihm auf die Knie und versuchte, ihn hochzuheben. Sein Kopf baumelte haltlos herunter. Sie berührte seinen Hals und erschauerte, als sie die Knochen sich unter ihren Fingern bewegen fühlte. Seine Augen waren halb geschlossen, der Mund schlaff und mit Dreck beschmiert. „Ich wollte nicht …“ Sie machte Anstalten, den Dreck von seinem Gesicht zu wischen. „Tarnsian …“ Er war dünner, sein Gesicht entspannt und endlich friedlich. Er sah lächerlich jung aus, das ganze Böse war weggespült. „Er hatte nie eine Chance …“ Hilflos ließ sie den Körper niedersinken. Dann griff sie hoch und berührte das Diadem. Beim leisen Klang der reinen Töne, die in der Stille unglaublich lieblich wirkten, durchströmte sie Übelkeit. Mit beiden Händen ergriff sie die Blumen, versuchte, sie von ihrem Kopf zu reißen, und die Töne wurden lauter und lauter und der Schmerz trieb brennende Nadeln in ihren Schädel. Sie schrie, dann fiel sie tausend Meilen tief in Finsternis.
Als sie erwachte, war ihr Kopf in Khateyats Schoß gebettet, und N’frat säuberte ihr Gesicht mit kaltem Flußwasser. Sie stieß ihre Hände weg und setzte sich auf; mit einer kalten Übelkeit im Magen sah sie sich um. „Wo ist er?“ Sie stand auf und drehte sich im Kreise.
„Wir haben ihn dem Fluß übergeben.“ Khateyat stellte sich neben sie.
Gemeinsam gingen sie zum Ufer und sahen in das ruhig fließende Wasser hinunter. „Sein Geist ist in die Obhut der R’nenawatalawa zurückgekehrt“, meinte Khateyat gelassen, die Augen auf Aleytys’ noch immer erschrockenes Gesicht gerichtet. „Wenn er wiedergeboren wird, so mag sein neues Leben glücklicher sein.“
„Er wurde dazu getrieben …“ Plötzlich begann Aleytys zu weinen. In Khateyats beruhigenden Armen gehalten, schluchzte sie, bis ihre Kehle wund war und ihre Bauchmuskeln unter den Krämpfen schmerzten, die durch ihren Körper zuckten.
N’frat kam zu ihnen; in ihrer Rechten trug sie einen Krug mit dampfendem Daz. Ernst blickte sie Aleytys an, und deutliche Verwunderung lag in ihrem kleinen Gesicht. Sie strich über Aleytys’ Haar, die Krämpfe, aus Schuld und Kummer geboren, versiegten. „Trink dies, Freundin. Dann wirst du dich besser fühlen.“
Aleytys schluckte und nahm den Krug, dann trank sie von der heißen, würzigen Flüssigkeit.
„Er war ein schlechter Mensch, Ayeh. Ich verstehe nicht, warum …“
Sie lehnte sich an Khateyats Schulter zurück und schenkte N’frat ein schwaches Lächeln. „Er ist das erste Lebewesen, das ich … Nein, der erste Mensch, den ich mit meinen eigenen Händen getötet habe. Und – und gewissermaßen war es nicht einmal sein
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