Diagnose zur Daemmerung
bisschen wollte ich ihn wieder an mich heranlassen.
Er seufzte schwer, nickte dann aber.
»Okay.« Mit einem kurzen Winken verabschiedete er sich und ging hinaus. Ich blickte ihm hinterher, bis er hinter der nächsten Ecke verschwand.
Sobald Ti weg war, brach ich auf der Couch zusammen. Arbeitete Asher heute? Ich schickte ihm die SMS, die ich wohl schon letzte Nacht hätte schreiben sollen: Es war nicht das, wonach es aussah. Heute Nacht zweiter Versuch? Bei den Reinas?
Heute bot sich uns wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, um Adriana zu retten. Um Mitternacht wäre ganz offiziell der Siebzehnte. Und wenn wir Adriana nicht fanden, hätte ich nichts in der Hand, um mit Luz zu verhandeln, außerdem würde sich Montalvo dann Santa Muerte krallen, sodass es auch nichts mehr gäbe, was ich bei den Schatten gegen das Leben meiner Mom eintauschen könnte. Heute war also die Nacht aller Nächte. Wo wir auch hingingen, was wir auch taten – diesmal würde ich nicht wieder zurückbleiben und warten.
Ich ging ins Bad, kämmte mir die Haare und zog mich an. Dann folgte der schwierigste Anruf meines ganzen Lebens.
Sie hob beim dritten Klingeln ab. »Hi, Mom.«
»Hallo, Liebes!« Offenbar freute sie sich sehr, meine Stimme zu hören. »Was gibt es denn?«
»Eigentlich nicht viel, ich wollte dir nur sagen, wie lieb ich dich habe.«
»Oh, das ist ja süß. Ich liebe dich auch, mein Schatz. Kommst du heute Abend vorbei?«
»Nein, für heute ist nach Feierabend eine Versammlung anberaumt worden.« Wenn ich jetzt bei ihr auftauchte, verängstigt wie ich war, würde sie mir auf die Schliche kommen. Mütter verfügten über eine ganz eigene Art der Magie. »Aber wenn es für dich okay ist, komme ich morgen Nachmittag.«
»Sicher, gerne. Um drei habe ich einen Arzttermin, willst du davor kommen, oder lieber nach sechs?«
»Dann nach sechs.«
»Es ist immer so schön, wenn du von dir hören lässt.«
»Danke, Mom. Hab dich lieb.«
»Ich dich auch«, versicherte sie mir wieder, dann legte ich auf. Hätte sie gewusst, was ich für sie zu tun gedachte, und wirklich begriffen, was das alles nach sich zog, hätte sie mir befohlen, damit aufzuhören – mit der Begründung, sie sei es nicht wert.
Aber da hätte sie sich geirrt.
Als Nächstes wollte ich im County anrufen, die Nummer der zentralen Infostelle hatte ich immer noch gespeichert. Doch ich kannte weder Catrinas Nachnamen, noch wusste ich, ob sie überhaupt schon wieder kräftig genug war, um zu sprechen. Also legte ich stattdessen wieder all mein Silberzeug an, schnappte mir meine Handtasche und lief zu meinem Auto.
Am Infoschalter konnte man mir ohne einen Nachnamen nicht weiterhelfen. Aber das County war eine riesige Institution; da ich hier nicht weiterkam, verschwand ich offiziell durch die Vordertür und kam durch eine andere unbewachte Tür einfach wieder rein. Mit viel Hartnäckigkeit und etwas Glück fand ich Catrina schließlich auf der Intensivstation. Als sie mein Begrüßungswinken durch die Scheibe erwiderte, überzeugte das die diensthabende Schwester, mich zu ihr zu lassen.
»Was wird heute Nacht passieren?«, fragte sie angestrengt, sobald ich in Hörweite war.
»Nichts, woran du irgendeinen Anteil hättest. Wie geht es dir?« Konzentriert studierte ich die Anzeigen auf ihrem Monitor. Das sah alles ganz gut aus.
»Sie haben die Kugel gefunden. Hat allerdings eine Weile gedauert.« Ihr Körper hing so schlaff in den Kissen wie bei jedem Patienten, der den richtig harten Stoff bekam. Wenn ich anfing, an ihren Infusionsbeuteln herumzuspielen, würde mir das nur den Zorn ihrer Krankenschwester eintragen. Aber Catrinas Pupillen waren erweitert, und sie bewegte sich extrem träge. Selbst wenn sie in diesem Moment keine frische Dröhnung bekam, so gab man ihr offensichtlich dauerhaft Schmerzmittel. Was absolut verständlich war, nachdem sie immerhin in ihren Eingeweiden nach einer widerspenstigen Kugel gesucht hatten. »Sag schon, was gibt es Neues?«
»Du hast gestern nichts mehr verpasst. Ich wollte nur mal nach dir sehen, mehr nicht. Soll ich deiner Familie sagen, dass du hier bist?«
Ihr erschöpfter Blick heftete sich kurz auf mich. »Familie? Welche Familie? Adriana ist alles, was ich noch habe.«
»Das tut mir leid.« Schnell sah ich auf die Uhr. Wenn ich hier niemandem im Weg stand, konnte ich wahrscheinlich noch eine Stunde bleiben. Ich zog mir einen Stuhl heran. »Nicht zu fassen, dass du tatsächlich angeschossen wurdest.«
Sie grinste
Weitere Kostenlose Bücher