Diagnose zur Daemmerung
beobachtete sie seine Pupillen. Das brachte ihn wieder zu Bewusstsein. Als er registrierte, wer da über ihm aufragte, begann er zu reden. Wahrscheinlich setzte sie ihre Kräfte ein, um ihn zu manipulieren. »Er weiß nicht, wo sie ist. Behauptet, er hätte sie nie gesehen. Soll er doch verbluten, nichts anderes hat er verdient!« Entschlossen streckte ich den Arm aus, um den Verband von seinem Bein zu reißen. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, fauchte sie mich an.
»Auf der, wo niemand stirbt!«
Lachend ließ sich Luz auf die Fersen zurücksinken. »Dafür ist es bereits zu spät.«
Schlagartig wurde mir übel. »Wo sind Hector und Ti?«
Sie lächelte breit. »Dein Zombiefreund gibt einen sehr effektiven Schutzschild ab. Sie sind zwar langsamer als ich, aber ihnen ist wohl nichts passiert.«
»Und sie war wirklich nicht dort?«, hakte ich noch einmal nach.
»Nein. Es war alles umsonst.« Luz spähte zu Catrina in den Wagen hinein. Ihr Blick war unergründlich. »Ich habe nur einen Haufen Knochen gefunden.«
»Es tut mir so leid, Luz.« Mir fiel nichts anderes ein.
Catrina stieß einen Schrei aus. Waren es die Schmerzen, oder die Wut?
Vielsagend blickte ich zu Catrina. Wenn ich zwischen ihr und diesem Mann da draußen wählen musste, entschied ich mich für sie. »Hast du den Schlüssel?«
»Nein, den hat der Doktor.« Sie drehte den Kopf Richtung Lagerhaus. »Er ist schon unterwegs.«
Hector und Ti stießen zu uns, als die ersten Sirenen aufheulten. Mehrere Rettungswagen und Polizeifahrzeuge kämpften sich durch den Regen heran.
»Wer ist der Kerl?«, fragte Ti als Erstes.
Hector warf einen flüchtigen Blick auf den Mann, dann sah er Catrina. Schnell beugte er sich ins Wageninnere und nahm eine erste Untersuchung vor.
»Sie braucht Hilfe – aber er könnte sterben. Er ist bereits im Schockzustand.«
Was nur logisch war, nachdem er hier blutend im kalten Regen gelegen hatte. Hector zog den Autoschlüssel aus der Tasche und warf ihn mir zu. »Ich bin der ansässige Arzt, ich kann behaupten, ich hätte Schüsse gehört und wäre gekommen, um zu helfen.« Mit einer hektischen Geste signalisierte er mir, ihm seine Notfalltüte zu geben.
»Bist du sicher?«
»Ich kenne die Polizei hier, sie werden mir glauben. Nehmt meinen Wagen und bringt Catrina ins County – wie ihr da hinkommt, wisst ihr ja.«
Mir war es gar nicht recht, ihn in diesem ganzen Chaos allein zu lassen. Wer konnte denn wissen, ob nicht noch mehr Schießwütige von den Drei Kreuzen auftauchten? Vor lauter Sorge wäre mir fast sein richtiger Name rausgerutscht. Im letzten Moment biss ich mir auf die Zunge. »Sei vorsichtig, Ash – Hector, ja?«
Er nickte, woraufhin Ti die Hand ausstreckte. Ich übergab ihm den Autoschlüssel. Er war schließlich auch schon oft genug im County gewesen.
Kapitel 38
Luz saß vorne, während ich auf der Rückbank Catrinas Kopf auf dem Schoß hielt und konstanten Druck auf ihre Wunde ausübte. War es ein gutes Zeichen, dass es keine Austrittswunde gab? Ich kannte mich in der Notfallmedizin nicht genug aus, um das zu beurteilen. Mit der freien Hand streichelte ich Catrina über die Haare. Sie stöhnte leise.
»Könntest du nicht …«, fragte ich Luz, doch die riss den Kopf herum, als hätte ich etwas Anstößiges gesagt. »Verdammt, Luz, es ist doch nur in bisschen Blut. Wie wird sich wohl Adriana fühlen, wenn ihre Schwester durch deine Schuld umkommt?«
»Hört auf«, flüsterte Catrina.
»Halt du dich da raus«, befahl ich ihr. Die Blutung war so stark, dass ihr Shirt an meinem Oberschenkel klebte. »Ti? Was ist da drin passiert?«
»Nichts Gutes. Montalvo war nicht da. Genauso wenig wie das Mädchen, nach dem wir gesucht haben. Sie schienen überrascht zu sein, eine Falle war es also wohl nicht, aber gewonnen haben wir dabei auch nichts.«
Draußen regnete es immer noch in Strömen. Hier drin konnte man die Feuchtigkeit riechen – neben dem Blut und dem Gestank von Verwesung.
»Wurdest du verletzt?«, fragte ich weiter.
»Ein paar Schusswunden. Nichts, das ich nicht selbst heilen könnte.« Er lenkte den Wagen auf den Highway, und immer weiter prasselten die Wassermassen auf uns herab.
Der restliche Weg zum County verlief schweigend. Ich grübelte darüber nach, was wohl gerade mit Asher geschah: Würden sie ihn zur Befragung mitnehmen? Und falls sie außer dem Verletzten noch andere Mitglieder der Drei Kreuze fanden – was würden die aussagen? Catrina war sehr still geworden.
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