Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
mir.
    Geduldig klapperte ich mehrere Straßen ab, bis ich die wiederfand, in der das alles passiert war. Ich erkannte den Zaun, neben dem Hector geparkt hatte. Der Regen hatte das Blut von der Straße gewaschen. Eigentlich hätte ich im County auch nach dem verletzten Jungen sehen müssen.
    Langsam rollte ich die Straße hinauf zu dem Lagerhaus, in dem sich die Kirche der Drei Kreuze befunden hatte. Im hellen Tageslicht wirkte alles wesentlich weniger bedrohlich als in den kurzen, von Blitzen erhellten Szenen der vergangenen Nacht. Die Zugangstore waren aus den Angeln gerissen worden, offensichtlich das Werk von Luz, doch nun hielten mehrere, ineinander verschlungene Ketten sie wieder an ihrem Platz. Halb abgerissenes Absperrband der Polizei flatterte im Wind, und ein einsamer Hausmeister versuchte mit einem Besen, der großen Pfützen Herr zu werden.
    Ich brachte mein Auto zum Stehen. Der Hausmeister blickte erschrocken hoch, doch als er sah, dass in dem Wagen nur eine Frau saß, fuhr er kopfschüttelnd fort, das Wasser herumzuschieben. Vorsichtig gab ich wieder Gas – da ertönte ein dumpfer Knall. Sofort war mein Fuß wieder auf der Bremse, und ich stieg hastig aus, um zu sehen, was ich gerammt hatte.
    Vor meinem Auto hockte die alte Frau, die ich aus dem Abflusskanal gerettet hatte. »Was zum … Das ist doch nicht zu fassen!«
    »¡No te puedo creer!«
    »Habe ich Sie angefahren? Geht es Ihnen gut?« Sie trug immer noch die Nachthemden vom County, doch inzwischen waren sie klatschnass.
    »¡Estás tan ciego! ¿Por qué no puedes ver?«, beschwerte sie sich.
    »Ich verstehe immer noch kein Wort, Lady. Was zum Teufel machen Sie überhaupt hier draußen?«
    Die Frau stemmte die Hände in die Hüften, was ich sofort begriff. »Okay, Sie haben recht. Wenn ich Sie nicht verstehen kann, sollte ich Ihnen nicht ständig irgendwelche Fragen stellen. Aber – Gott!« Verwirrt sah ich mich um. »Wo sind Sie überhaupt hergekommen? Ich könnte schwören, dass Sie vor einer Sekunde noch nicht da waren.«
    Ohne mich weiter zu beachten, sank sie wieder auf die Knie und streckte die Hände in den kleinen Strom, der durch den Rinnstein lief.
    »Nein, nein, nein, tun Sie das nicht! Sie holen sich noch den Tod.«
    Wütend schlug sie auf das Wasser und spritzte mich nass.
    »Hey! Lassen Sie das, das ist nicht gut.«
    Wieder drückte sie die Hände unter Wasser; am Ende der Straße befand sich ein Abfluss. Ein Teil des Wassers, das der Hausmeister vom Sitz der Drei Kreuze entfernte, hatte uns erreicht und lief wie ein kleiner Wasserfall vom Bürgersteig in die Rinne. Wie ein gruseliger alter Otter fischte sie eine Handvoll Dreck aus dem Sturzbach und streckte ihn mir entgegen.
    »Hören Sie«, versuchte ich es noch einmal. Ihre Hand zuckte und wieder traf mich ein Regentropfen. »Das ist ekelhaft, hören Sie damit auf!« Entschlossen ließ ich sie stehen und marschierte zur Fahrertür. Ich würde sie bestimmt nicht gegen ihren Willen mitnehmen; wenn sie nicht freiwillig einstieg, würde ich eben ohne sie weiterfahren. Wer war ich denn, dass ich alles und jeden retten sollte? Was das anging, war meine Tanzkarte längst voll. Mit einer universell verständlichen Geste zeigte ich erst auf sie, dann auf mein Auto. »Einsteigen.«
    Sie schüttelte nur den Kopf und schob ihren Zeigefinger durch den Dreckklumpen auf ihrer Handfläche, als würde sie Gold waschen.
    »Einsteigen«, wiederholte ich. Sie würde ja wohl noch wissen, wie man eine Tür öffnete. Frustriert schob ich mich hinter das Steuer, doch da schlug sie mit der flachen Hand auf die Motorhaube.
    »Was ist, kommen Sie jetzt?«, rief ich ihr zu. Mit kleinen Schritten humpelte sie zur Beifahrertür und riss sie auf. Als sie sich in den Sitz sinken ließ, schleuderte sie die nassen Steine, die sie gesammelt hatte, auf das Armaturenbrett. Der Schlamm tropfte in dünnen Schlieren daran herab. »Hey!«
    Die Alte wischte sich an ihren nassen Krankenhaushemden die Finger ab, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Igitt.« Offensichtlich hatten die Reinas sie nicht festhalten können, genauso wenig wie das County zuvor. Damit blieb nur noch ein Ort, an den wir gehen konnten.
    Obwohl mein Auto das Einzige weit und breit war, fuhr ich ganz langsam zurück Richtung Klinik, da ich nach dem Weg suchte, über den Olympio Ti und mich gestern geführt hatte. Ein paarmal bog ich falsch ab, aber schließlich landete ich vor Olympios Haus und parkte dort.
    »Also«, wandte ich mich an

Weitere Kostenlose Bücher