Diagnose zur Daemmerung
macht man denn bloß, wenn man einen Ex wiedersieht, mit dem man zwar ein angenehmes Verhältnis aufrechterhalten will, aber nicht für länger als fünf Minuten? Ich ging erst mal in die Küche. »Tee? Kaffee?«
Er lächelte sanft. »Ich bin wunschlos glücklich, danke.«
Natürlich. Zombies aßen und tranken nicht, es sei denn, sie mussten es vorspielen oder sich heilen. Außerdem musste er ja glücklich sein, immerhin war er derjenige, der gegangen war, er war nicht verlassen worden.
»Edie, ich wollte nicht …«
»Schon klar, das will doch keiner.« Ich ging an ihm vorbei und setzte mich auf die Couch. Er zog sich einen Stuhl heran und nahm mir gegenüber Platz.
»Diese Couch ist schöner als deine alte.«
»Stimmt. Also, warum bist du hier?« Eigentlich interessierte mich ja vielmehr, wohin er verschwunden und warum er gegangen war, aber die Antworten auf diese Fragen würden mir wahrscheinlich überhaupt nicht gefallen.
»Ich wollte sehen, ob bei dir alles okay ist. Bei unserer letzten Begegnung ging es dir ja ziemlich beschissen.«
»Du meinst, als du mich verlassen hast.«
»Du lagst im Krankenhaus. In deinem Krankenhaus.«
Ich verschränkte wieder die Arme, diesmal vor dem Bauch. Als Ti mich das letzte Mal gesehen hatte, war ich gerade von Vampiren niedergestochen worden, und das Blut lief nur so aus mir heraus.
»Ich war ebenfalls verwundet, Edie. Ich musste gehen und … gesund werden.« Wir wussten beide, was das in seinem Fall bedeutete. Menschen töten. Und sie essen. Keine guten Menschen, aber trotzdem. »Aber ich habe die Stadt erst verlassen, als ich wusste, dass du in Ordnung kommen würdest. Ich habe mich nach dir erkundigt.«
»Du hättest dich bei mir erkundigen können.«
Seine dunklen Hände schlossen sich um seine Knie. »Das hätte ich tun sollen, ja. Aber … du weißt, was ich bin, Edie. Was ich tue. Ich hätte nie mit dir zusammenkommen dürfen.«
»Habe ich da etwa kein Mitspracherecht?«, fragte ich leise.
Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Ti …«
»Ich hätte es nicht zulassen dürfen. Keine Ahnung, warum ich dachte, mit dir könnte es anders sein.«
»Was vielleicht auch funktioniert hätte, wenn du uns eine Chance gegeben hättest.« Ich hoffte doch nicht wirklich, dass sich daran jetzt noch etwas ändern würde, oder? Denn ich war immer noch sauer auf ihn, weil er mich verlassen hatte, richtig?
»Als wir zusammen in dieser Limousine saßen, du fast verblutet wärst und ich halb auseinanderfiel … da hast du nach Tod gerochen.« Er unterbrach sich, und ich erkannte, dass er sich überwinden musste, die folgenden Worte auszusprechen. »Und es roch gut.«
Entschlossen schüttelte ich den Kopf. »Das hättest du niemals getan, Ti. Auf gar keinen Fall.«
Er unterbrach mich, konnte mir aber nicht in die Augen sehen. »Nein. Aber trotzdem, ich kann nicht verleugnen, was ich bin. Was ich immer sein werde.«
»Ich verurteile dich nicht, Ti …«
»Früher schon. Und das solltest du auch.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Es ist das Recht der Lebenden, über die Toten zu urteilen.«
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nichts zu erwidern. Alles, was ich jetzt sagte, würde nur unfair klingen. Andererseits … »Warum bist du jetzt hier, Ti?« Wenn er meinetwegen zurückgekehrt war, wollte ich das aus seinem Mund hören. Und wenn es nicht meinetwegen war, tja, dann wollte ich es ebenfalls wissen.
»Ich war eine Weile nicht in der Stadt. Und als ich zurückgekommen bin, wollte ich sehen, ob es dir gut geht.«
»Aber ich war nicht der Grund, warum du zurückgekommen bist.« Ich musste es nicht einmal als Frage formulieren. Wenn er meinetwegen hätte zurückkehren wollen, hätte er das längst getan, das wurde mir plötzlich klar.
»Nein. Es gibt hier einen Magier, der behauptet, er könne mir den Rest meiner Seele zurückgeben.«
Nicht meinetwegen. Natürlich nicht meinetwegen. Ti war auf der Suche nach dem Rest seiner Seele, seit er ein freier Zombie geworden war. Eine Hälfte hatte er noch – genug, um er selbst zu bleiben –, aber wer auch immer ihn verwandelt hatte, verfügte über die zweite Hälfte, die er dazu benutzt hatte, um Ti zu kontrollieren. Seine Seele irgendwie zu vervollständigen war die Voraussetzung dafür, dass er endgültig sterben konnte. Nicht nur verstümmelt und körperlich tot, sondern so richtig tot, damit er in den Himmel kommen konnte, wo er all seine alten Freunde wiederzusehen hoffte. Und seine tote Frau.
Ich schlang
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