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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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eine sind Sie also: Erst bringen Sie mich durch persönliche Fragen dazu, in meiner Wachsamkeit nachzulassen, und dann gehen Sie zum Angriff über.«
    Ich zuckte die Achseln und grinste schief. »Ich beherrsche sowohl den guten als auch den bösen Cop.«
    Plötzlich wurde er ernst und schüttelte den Kopf, als wollte er damit sagen, dass es viele Dinge gab, die ich nicht verstand. »Sie haben keine Ahnung, dass in dem Abwasserkanal vor der Klinik wahrscheinlich ein ganzes Waffenarsenal vor sich hin rostet, oder?«, fragte er schließlich, was keine richtige Antwort war.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Dass sich nichts ändert, wenn man hier der Polizei etwas meldet. Nicht in diesem Viertel. Ich wette, Sie haben bei uns noch keinen einzigen Polizisten gesehen, und das werden Sie auch nicht. Die fühlen sich hier nicht zuständig, es sei denn, es gibt so viele Tote, dass sie uns nicht ignorieren können.« Er neigte den Kopf und sah mich direkt an. »Allerdings scheinen Sie es mit den Regeln ebenfalls nicht allzu genau zu nehmen, Miss Spence.«
    »Ha, ha.« Stimmt, ich hatte am Vortag ja auch nicht zum Hörer gegriffen. Ich kam mir etwas dumm vor – immerhin hatte er recht. »Bei meinem früheren Job war es oft nicht gut, zu viele Fragen zu stellen.«
    »Und doch unterziehen Sie mich nun dieser Befragung«, erwiderte er prompt.
    »Eigentlich habe ich bis jetzt gar nicht richtig losgelegt.« Nur noch ein halber Block, dann wären wir da. Meine Chance auf die Wichtigste aller Fragen war gekommen; hoffentlich würde er mich nicht einfach stehen lassen. »Eduardo hat meinem letzten Patienten Blut abgenommen, obwohl Sie gar keine Labortests angeordnet haben. Hat er da einen Fehler gemacht? Sollte ich morgen mit ihm darüber sprechen?« Ich stellte die Frage so beiläufig wie möglich und versuchte, möglichst professionell zu klingen.
    Dr. Tovar zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf, alles zu schnell. »Nein, nein, ich übernehme das.«
    »Als ich ihn danach gefragt habe, meinte er, ich müsste mich an Sie wenden«, bohrte ich weiter.
    »Bei so vielen Patienten jeden Tag passieren schon mal Fehler. Wir können noch von Glück reden, wenn es etwas so Harmloses ist.«
    Schlechte Wortwahl. Zu leicht sprang mein Gehirn von harmlosen zu weniger harmlosen Dingen, wie etwa den Zellen, die gerade in meiner Mom wucherten.
    »Keine Sorge, ich werde mit ihm sprechen«, versicherte mir Dr. Tovar, als er meinen Blick bemerkte.
    »Das ist es nicht …« Ich setzte zu einer Erklärung an, bemerkte aber, wie gerade meine Bahn einfuhr. Mir war klar, dass in diesem Kühlschrank nicht das Ergebnis fälschlich vorgenommener Blutabnahmen lagerte. Aber ich war mir nicht sicher, ob diese Sache es wert war, mich schon nach einem Tag mit meinem neuen Chef zu überwerfen. Ihm war anzusehen, dass er sich Sorgen um mich machte, aber er hielt sich zurück. Vielleicht war ich nicht die Einzige, die gewisse Grenzen nicht überschreiten wollte.
    Hinter mir hörte ich das Quietschen der Zugbremsen. »Ich muss los …« Mit einem knappen Winken verabschiedete ich mich.
    Und als würde in seinem Inneren eine Tür zufallen, wurde Dr. Tovar wieder ganz der Arzt. Er richtete sich auf und nickte mir zu. »Kommen Sie sicher nach Hause, Schwester Spence.«

Kapitel 9
     
    Mit der Hochbahn fuhr ich direkt zu meiner Mutter. Also, nicht genau mit dieser Bahn, denn sie lebten in einem hübschen Viertel, das von einer anderen Linie angefahren wurde, aber es dauerte nur ungefähr eine halbe Stunde. Als ich ausstieg, überlegte ich, wie lange ich wohl bis zu ihrem Haus laufen musste, und dann …
    … blickte ich an mir herunter. Ich trug noch dieselben Klamotten wie in der Klinik. Als ich Patienten behandelt hatte. Insbesondere Frank. Mein Körper mochte ja alles diesseits der Tuberkulose abwehren können, aber der meiner immungeschwächten Mutter sicher nicht. An meiner Kleidung hingen jede Menge Erreger. Verdammt.
    Von der Haltestelle aus – die wahrscheinlich die sicherste in der ganzen Stadt war, da meine Familie in einer wirklich herausgeputzten Gegend wohnte – rief ich sie an.
    »Kommst du noch vorbei, Edie?«, fragte mich Mom.
    »Morgen.« Ich erklärte ihr, wen ich heute behandelt hatte und wo ich gerade war. Sie war zwar enttäuscht, fand es gleichzeitig aber auch lustig.
    »Hast du nicht neulich noch in dieser Schlafklinik gearbeitet?«
    »Das war zu langweilig.«
    Sie lachte. Gott, ich liebte dieses Lachen. »Na ja, ich bin sicher, wo auch

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