Diagnose zur Daemmerung
immer du arbeitest, du tust Gottes Werk.«
Wenn’s nur so wäre! Also, Mom, eigentlich arbeite ich da, weil ich auf der Suche nach einem mitfühlenden übernatürlichen Wesen bin, um dir den Hintern zu retten. Keine Zeit für diese Diskussion. Außerdem hatte ich sie dafür zu lieb. »Können wir stattdessen morgen Abend zusammen essen? Du musst nicht kochen, ich bringe was mit.«
»Klingt toll. Dann erwarten wir dich morgen.«
»So gegen halb acht, ich muss vorher noch nach Hause fahren und duschen.«
Mit einem »Dann bis morgen, Liebes« legte sie auf.
Ich kam mir immer noch dämlich vor, als ich meine Dauerkarte durch den Automaten zog, um wieder auf das Gleis zu gelangen.
Bis ich mir etwas zu essen besorgt und die richtige Bahn erwischt hatte, war es fast acht Uhr. Sobald ich meine Wohnung betrat, stellte ich die Tüte ab und scheuchte Minnie weg, als sie mir zu nahe kam. Duschen musste ich vor dem Essen eigentlich nicht unbedingt, denn ich war am Verhungern, immerhin war das Sandwich schon eine Weile her. Aber umziehen und die Stellen waschen, die nicht bekleidet gewesen waren, das war Pflicht.
Mit einem Waschlappen bearbeitete ich meine Arme und dachte gleichzeitig, dass ich da genauso gut unter die Dusche hätte gehen können. Plötzlich klingelte es an der Tür.
Es wäre eine Untertreibung, zu sagen, dass ich normalerweise nicht viel Besuch bekam. Abgesehen von meiner Familie wusste aber momentan niemand, wo ich wohnte. Und wenn das Jake war, dann … Na ja, vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn wir mal über Mom sprächen.
Ich legte den Waschlappen weg und ging in den Flur, um erst mal durch den Spion zu spähen.
»Hi, Edie«, ertönte draußen eine vertraute Stimme. Er musste gehört haben, wie ich mich gegen die Wohnungstür lehnte.
Ti. Mein Zombiefreund von letztem Jahr.
Die Magensäure, die sich beim Gedanken an meinen Bruder frisch gebildet hatte, verlagerte sich nun und orientierte sich nach oben. Ich könnte Ti ignorieren, so wie er mich während der letzten sieben Monate ignoriert hatte. Schließlich hatte es wehgetan, so schnell vergessen zu werden.
»Edie«, sagte er wieder, diesmal leiser.
»Das erinnert mich daran, wie wir uns das letzte Mal begegnet sind«, erwiderte ich auf meiner Seite der Tür. Damals waren wir zu meinem Prozess gegangen, und er war zur Hälfte jemand anders gewesen – das halbe Gesicht und ein Arm hatten ursprünglich jemand anderem gehört.
»Aber diesmal bin ich ganz ich selbst.«
Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und flüsterte: »Wo warst du?« Mein Gesicht hielt ich im Schatten.
»Hier und da. Nachdem du umgezogen bist, warst du gar nicht so leicht zu finden.«
»Hat dir denn niemand gesagt, dass ich geächtet wurde?«
»Meinst du, mich interessiert, was irgend so ein Vampir sagt?«
Diese Wohnung lag, im Gegensatz zu meiner letzten, im ersten Stock. Die Außenbeleuchtung warf Tis Schatten an die Wand gegenüber der Wohnungstür. Seine Haut war nicht viel heller als dieser Umriss, ein ganz gleichmäßiges Schwarz, doch seine Augen hatten die Farbe von Bernstein an einem regnerischen Tag. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er noch unter den Verletzungen gelitten, die er sich als Feuerwehrmann bei einem Brand zugezogen hatte, und seine Haut war nicht vollständig verheilt gewesen. Nun war er gesund, die vielen kleinen Narben waren verschwunden, und auch seine Haare waren nachgewachsen, die er sehr kurz trug.
Er legte eine Hand an die kaum geöffnete Tür. »Können wir miteinander reden?«
Ich sah zu ihm hoch, in das Gesicht, das ich früher geküsst hatte, auch wenn es damals nicht ganz seines gewesen war. Er hatte sein Leben für mich riskiert. Er war noch immer derselbe Mann. Ich nickte.
»Drinnen?«, fragte er sanft, ohne eine Spur von Ironie.
Ich trat zurück und ließ ihn rein.
Nach einem Blick auf das Silberkreuz an meiner Wand sagte Ti: »Jeden anderen hätte ich jetzt gefragt, ob er plötzlich religiös geworden ist, aber bei dir kann ich mir das wohl sparen.«
»Man weiß nie, wer plötzlich zu Besuch kommt«, erwiderte ich, wobei mir natürlich klar war, dass gegen Zombies weder Kreuze noch Silber halfen.
Eine peinliche Stille trat ein. Er war sicher aus einem bestimmten Grund hier, und ich wollte ihm keinen Small Talk liefern. Er schlenderte durch das Wohnzimmer und sah sich um. »Ich bin unsicher: Stellt dein Umzug eine Verbesserung dar oder eher das Gegenteil?«
»Ein Schritt auf der gleichen Ebene.« Was
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