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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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nickte dann. »Ich denke, das mit der Ächtung ist keine schlechte Sache, Edie. Mir liegt viel daran, dass es dir gut geht. Aber ich möchte dich nicht mehr wiedersehen.« Vorsichtig legte er eine Hand an meine Wange. »Und das meine ich nur im allerbesten Sinne.«
    Am liebsten hätte ich mich wie eine Katze an seine Handfläche geschmiegt und gegen seine starke Schulter gelehnt, aber ich zwang meinen Körper, sich nicht zu bewegen. »Dafür sollte ich mich wohl bedanken«, erwiderte ich möglichst trocken.
    »Leb wohl, Edie.« Er ging hinaus, und ich schloss die Tür hinter ihm.
    Sieben Monate reichen doch aus, um über jemanden hinwegzukommen, den man liebt und der einem das Leben gerettet hat, oder?

Kapitel 10
     
    In dieser Nacht schlief ich schlecht. Ich wälzte mich so wild herum, dass Minnie irgendwann die Nase voll hatte; als ich aufwachte, schlief sie im Kleiderschrank.
    Nachdem ich zum dritten Mal die Snoozetaste meines Weckers gedrückt hatte, fragte ich mich ernsthaft, ob es eine kluge Idee gewesen war, mir einen Tagesjob zu suchen. Noch war es nicht zu spät, um bei der Schlafklinik anzurufen und ihnen zu erzählen, meine fristlose Kündigung sei nur ein blöder Scherz gewesen. »Was sie natürlich super witzig finden würden«, murmelte ich, während ich unter der Dusche stand. Doch ich schaffte es, gerade rechtzeitig das Haus zu verlassen, um meine Bahn zu erwischen, sodass ich schließlich gähnend durch die Stadt rollte und die fünf Haltestellen abzählte.
    »Ah, enfermera .« Dr. Tovar erwartete mich am Fuß der Treppe, die vom Bahnsteig herabführte. »Heute haben Sie also beschlossen, pünktlich zu kommen?«
    Wieso gab er sich eigentlich, als wäre er viel älter als ich, wenn es überhaupt nicht so war? »Es ist Ihnen bisher eben noch nicht gelungen, mich zu vergraulen«, erwiderte ich möglichst frech.
    Er nickte knapp, als müsse er das anerkennen, während er sich gleichzeitig die Möglichkeit offenhielt, es noch zu tun. Dann ging er los, und ich reihte mich neben ihm ein.
    »Was ist das hier eigentlich? Eine Art Wochenmarkt?«
    »Viele Leute müssen sich auf dem Weg zur Arbeit noch etwas zu essen kaufen. Und diejenigen, die mit der Hochbahn hierherpendeln, haben mehr Geld als die anderen.« Wir schoben uns durch die Menge. Einerseits versuchte ich, nah genug an ihm dranzubleiben, um ihn zu verstehen, andererseits wollte ich ihm auch nicht zu nah kommen. »Einer hat sich vielleicht sein Arbeitshemd zerrissen und braucht ein neues. Jemand anders wurde an einem Tag besonders gut bezahlt und kann sich endlich die neuen Schuhe für sein Kind leisten. Das Geschäft hier hängt am Rhythmus der Zahltage, also dem Ersten und dem Fünfzehnten des Monats.«
    Die einzelnen Verkaufsstände wurden durch Leinen markiert, die zwischen den Buden gespannt und oft mit Kleidungsstücken behängt waren. Auf einem Tisch entdeckte ich einzeln verpackte Rollen Toilettenpapier, die zu einer Pyramide aufgetürmt waren. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich diesen Stand gestern nicht gesehen hatte, und wahrscheinlich würde er morgen auch nicht mehr da sein. »Manchmal kaufe ich mir auf dem Heimweg hier mein Abendessen«, erklärte Dr. Tovar. »Oder das Frühstück. Wenn Sie einen Moment warten würden …«
    »Sicher.« Dieses gegrillte Zeug roch wirklich lecker. Auf jeden Fall besser als mein Erdnussbuttersandwich. Während ich wartete, schlenderte ich zu einem Verkaufsstand, am dem T-Shirts mit grellbunten Motiven angeboten wurden. Ich sah mir die Shirts genauer an: jede Menge Bilder von Santa Muerte, über denen in verschnörkelter Schrift Reina de la Noche stand, genau wie bei dem Wandgemälde. Die Standbetreiberin fixierte gerade die Shirts auf der Rückseite der Bude, damit der Aufdruck immer nach vorne zeigte, egal wie der Wind wehte. Als sie sich umdrehte, sah ich, dass an ihrem Kragen eine Verzierung angebracht war, die wie ein blutender Vampirbiss aussah. Das konnte doch nicht wahr sein … »Miss?« Ich kramte in meiner Handtasche und hoffte, durch ein paar Scheine ihre Aufmerksamkeit erregen zu können. Lächelnd kam sie auf mich zu, doch dann sah sie hinter mir etwas, das sie erschrocken die Augen aufreißen ließ.
    Ich drehte mich genau in dem Moment um, als Dr. Tovar neben mir auftauchte und anfing, mich fortzuzerren.
    Drei Männer schoben sich durch das Gedränge des Marktes, und ihre Hälse waren an beiden Seiten mit Kreuzen verziert, die von der Kehle bis zum Schlüsselbein reichten. Sie bauten

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