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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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sich vor der Shirtverkäuferin auf und sagten etwas, das ich nicht verstehen konnte. Doch ihre Körpersprache war eindeutig drohend. Nicht gut.
    »Das geht uns nichts an.« Dr. Tovar zog noch immer an meinem Arm. Auf dem Markt war es sehr still geworden, alle versuchten angestrengt, irgendwo anders hinzusehen. Einer der Männer riss die Shirts von der Leine und warf sie auf den Boden. Die Frau protestierte lautstark. Der zweite packte sie, wobei ihr Kragen verrutschte.
    Entweder hatte sie an der Stelle, wo üblicherweise Reißzähne ihre Spuren hinterließen, zwei Leberflecke oder Narben oder seltsame Tattoos. Jedenfalls sah das Zeichen bei ihr genauso aus wie bei dem Bluthochdruckpatienten vom Vortag. »Kommen Sie.« Tovar zerrte noch stärker an mir, offenbar wollte er mich partout nicht loslassen. »Wenn man sich hier in die Angelegenheiten anderer Leute einmischt, geht das selten gut aus.«
    »Wir müssen ihr helfen …« Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu winden.
    »Nein, müssen wir nicht. Das ist nicht unsere Aufgabe«, widersprach er mir wütend und zog mich weiter.
    Wir hatten die Klinik schon halb erreicht, als ich abrupt stehen blieb und mich losriss – wie kam er darauf, mich hinter sich herzuschleppen wie ein bockiges Kind! »Wenn es nicht unsere Aufgabe ist, wessen dann?«, schrie ich.
    Kochend vor Wut schwieg er einen Moment, bevor er sagte: »Vertrauen Sie mir: Die werden bekommen, was sie verdient haben.«
    Sagt der Mann, der mich wegen gewisser Blutproben eiskalt angelogen hat. »Wie können Sie da so sicher sein?«
    Seine Körperhaltung verriet mir, wie aufgebracht er war. Ich konnte fast schon sehen, wie er nach Worten suchte; er war kurz davor, mir die Wahrheit an den Kopf zu knallen – doch dann hatte er sich wieder im Griff.
    »Verdammt noch mal«, fluchte ich. »Sie wissen etwas, das Sie mir nicht sagen wollen.« Das Blut, Santa Muerte auf der einen Seite, die Herrscherin der Nacht auf der anderen … das lief doch alles auf Vampire hinaus!
    Tovars dunkle Augen fixierten mich unnachgiebig. »Ich weiß nur, dass es sehr gut war, heute Morgen auf Sie zu warten. Sonst …«
    »Sonst was?«, unterbrach ich ihn.
    »Sonst wären Sie wahrscheinlich mit einer gebrochenen Nase bei mir in der Klinik gelandet.«
    Stirnrunzelnd wartete ich darauf, dass er seinen Worten noch etwas hinzufügen würde. Mein Arm pochte schmerzhaft. Als ich prüfend mein Handgelenk musterte, entdeckte ich einen roten Abdruck an der Stelle, wo er mich gepackt hatte. Offenbar hatte er wirklich Angst um mich gehabt. Er folgte meinem Blick und riss erschrocken die Augen auf. »Tut mir leid, das war wirklich unverantwortlich von mir.«
    »Das grenzt an Körperverletzung.« Ich massierte meinen Unterarm, um die Taubheit aus meiner Hand zu vertreiben.
    Tovar war immer noch wütend. »Ich wollte nur nicht, dass Sie verletzt werden.«
    »Und was ist mit der Verkäuferin?« Mit dem gesunden Arm deutete ich hinter mir die Straße entlang.
    »Sie ist mir egal!«, brüllte er. Mit einer ruckartigen Bewegung richtete er sich auf, brachte sein Temperament unter Kontrolle und wurde endgültig wieder zu dem Arzt, den die Leute hier kannten und liebten. Etwas ruhiger fuhr er fort: »Sie ist nicht meine Angestellte.«
    Zähneknirschend überlegte ich, was ich als Nächstes sagen sollte. Ich war wütend auf ihn, mein Arm tat von dem Gezerre ziemlich weh, und dass er mir Informationen vorenthielt, machte mich wahnsinnig. »Was wird mit ihr geschehen?«
    Er atmete einmal tief durch, bevor er in ruhigem Tonfall antwortete: »Vermutlich werden sie ihre Ware zerstören. Die wollten nur eine Szene machen, und damit das funktioniert, müssen sie ihr nicht groß etwas tun. Wahrscheinlich hat sie ihre Steuern nicht bezahlt.«
    »Oh, dann waren die also vom Finanzamt, ja?«, höhnte ich.
    »In dieser Gegend gibt es eine Menge Gangs. Das ist ein profitträchtiger Markt, man kann hier nicht einfach ein Geschäft eröffnen, ohne Bestechungsgelder zu zahlen.«
    »Wir hätten trotzdem die Polizei rufen sollen.«
    Inzwischen hatte er sich voll unter Kontrolle und war wieder ganz der Pragmatiker. »Ich habe Ihnen doch schon erklärt: Die würden nicht kommen«, sagte er abfällig.
    »Sollten sie aber.«
    »Vielleicht in dem Viertel, in dem Sie leben.« Mit dem Kinn deutete er in die Richtung, aus der meine Bahn gekommen war. »Hier läuft das etwas anders.«
    »Das ist mir klar.« Eigentlich nicht so ganz, aber zumindest wusste ich, dass hier andere Regeln

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