Diamantendiebe
die Wahrheit über mich erfahren, betete sie still.
Schwester Jo strich ihr über den Arm. »Verzeihen Sie mir, dass ich so direkt und neugierig gewesen bin. Einige der Flüchtlinge meinten, Sie seien vielleicht in illegale Aktivitäten wie Schmuggel verwickelt, weil Sie all diese Medikamente und die Lebensmittel kaufen konnten. Ehrlich gesagt, ist es mir auch völlig gleichgültig. In einem Land wie diesem, das im Chaos versinkt, gilt das Gesetz nichts mehr. Wir sind dankbar, dass Sie Ihr Leben riskieren, um hierher zu kommen. Sie haben uns so viel gegeben und nie etwas dafür verlangt. Ich wünschte, die Supermächte hätten das gemacht, was Sie getan haben.«
Tessie begann wieder unruhig zu werden. Tess setzte sie auf ihre linke Hüfte und zog eine neue Praline hervor und steckt sie ihr ins Mäulchen.
»Nun, das ist nur mein kleiner Beitrag. Aber ich wünschte, ich könnte diesen Wahnsinn hier beenden.«
»Es ist mehr als ein kleiner Beitrag. Sie haben den Flüchtlingen hier Hoffnung gebracht. Die Kinder beten Sie an. Und darüber hinaus haben Sie auch noch Sklaven zurückgekauft. Ich habe im vorigen Monat Nachricht erhalten, dass es den fünfzig Mädchen, die Sie befreit haben, gut im Waisenhaus geht. Die schlechte Nachricht ist, dass noch mehr Mädchen verkauft wurden. Es scheint, als würde der Handel sehr gut gehen, sodass in den verschiedenen Gebieten noch mehr Händler dazugekommen sind.
Tess verzog den Mund. »Sie sollen verflucht sein. Wenn ich könnte, würde ich jeden einzelnen von ihnen umbringen und ihre Köpfe aufspießen. Ich weiß, dass es nicht der Weisheit letzter Schluss ist, die Mädchen auszulösen. Und solange die Behörden die Händler nicht gefangen setzen und sie schwer bestrafen, werden es immer mehr von ihnen werden.«
Dr. Santiago nickte. »Am liebsten würde ich sie selbst umbringen, aber ich bin Ärztin und kein Schlächter. Es gibt Zeiten, wo ich am liebsten alles zusammenpacken und nach Brasilien zurückfahren würde. Aber mir liegt etwas an diesen Leuten. Sie brauchen unsere Hilfe und es ist traurig genug, dass Ruanda von so vielen Nationen, besonders den USA, übersehen wird. Zehn Jahre Gräueltaten haben in diesem Land einen hohen Preis gefordert.«
»Erst letzte Woche wurde ein neues Massengrab gefunden und sie versuchen jetzt, die Opfer zu identifizieren. Die Schädel der Toten sind sorgfältig gebleicht, gewaschen und auf Regalen gelagert worden. Die überlebenden Familienmitglieder der Opfer sind fast hysterisch geworden, als sie heimkamen und diese Menge an Knochen vorfanden. Nächste Woche gibt es in Kilgali eine Gedenkveranstaltung für die Opfer. Ich wurde eingeladen, daran teilzunehmen.«
Sie streckte die Hand aus und streichelte über Tessies Wange. Die großen, braunen Augen der Kleinen fielen vor Müdigkeit fast zu.
»Sie ist müde, ich werde sie zurück in ihr Bettchen bringen.«
Tess reichte ihr die Kleine hinüber, die sofort die Augen aufriss, laut zu jammern begann und sich an Tess klammerte.
»Schon gut, mein Liebling, ich halte dich noch ein bisschen.« Sie küsste Tessie auf ihr weiches Köpfchen und wiegte sie in den Armen. Bald darauf wurde die Kleine still und schlief ein. Gemeinsam mit Dr. Santiago und Schwester Jo verließen sie das Zelt und gingen zu jenem, wo Tessie und Dutzende anderer kleiner Waisen untergebracht waren.
Kapitel 6
Eines Morgens, eine Woche nachdem Tess angekommen war, kam eine Gruppe von Kindern, die Ball gespielt hatten, zu Tess gelaufen und redeten aufgeregt durcheinander. »Tess, da sind weiße Männer. Komm schnell!«
»Weiße Männer von wo?«, fragte Tess, die gerade dabei war, einen zehnjährigen Jungen zu verbinden.
»Weiß nicht«, sagte ein kleiner Junge von etwa sechs Jahren, dem vorne einige Schneidezähne fehlten. »Sie sind in großen Armeefahrzeugen gekommen und alle haben Uniformen an.«
»Nur einer nicht«, fiel ein etwa zehnjähriges Mädchen ein. »Der ist groß und hübsch. Und er hat schwarze Haare und blaue Augen.«
Die anderen Kinder lachten und neckten sie. »Juli hat sich in den hübschen Mann verliebt.«
»Habe ich nicht«, sagte Juli, zornig mit dem Fuß aufstampfend.
»Hört auf, Juli zu ärgern«, sagte Tess, »sie hat mir nur den Mann beschrieben.« Sie zog Juli an sich, aber die anderen Kinder hörten nicht auf, sich über sie lustig zu machen. Das Mädchen riss sich los und stürmte aus dem Krankenzelt. Tess hob den Jungen vom Krankenbett, wies ihn an, den Verband nicht wieder
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