Diamantendiebe
Flüchtlinge halten sich hier im Camp auf?«, fragte Max, während er die Prozedur fast eine Stunde lang beobachtete.
Es waren seine verdammten blauen Augen, die Hitze und Verlangen ausstrahlten. Verlangen nach ihr. »Ungefähr zweitausendsechshundert und einige sind erst kürzlich gestorben«, erwiderte Tess. Ihr taten die Flüchtlinge Leid. Der Anblick der Soldaten musste sie sehr aufregen und in Angst versetzen.
»Das dauert sicherlich mehrere Tage, bis die Soldaten mit jedem gesprochen haben.«
»Schon möglich«, erwiderte Tess achselzuckend. »Das ist aber ein kleines Camp, verglichen mit jenem in Nyamata.« Sie verzog den Mund. Mehr und mehr machte ihr der Gedanke zu schaffen, dass Hutu Extremisten hier als Flüchtlinge untergekommen waren, in der Hoffnung, der Verfolgung und Entdeckung zu entgehen. Aber wie konnte die Gruppe mit Al-Quaida zuammenhängen? Sie hatten doch unterschiedliche Ziele?
Bei näherem Nachdenken war jedoch alles möglich. Es waren genug Fanatiker auf der Welt, die willens waren, sich mit jeder Gruppe zu verbinden, die ihnen half, ihre Ziele zu erreichen. Und wie für so viele Kriegsverbrecher auf der ganzen Welt war es für sie sinnvoll, unterzutauchen.
Aber auch wenn die Befragungen einschüchternd waren, so taten die Friedenstruppen das Richtige und Tess entschloss sich, selbst ein bisschen Nachforschungen anzustellen.
Max machte sich Notizen, während er den Gesprächen zwischen den Soldaten und den Flüchtlingen lauschte und Tess musste schwer an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Max konnte alle anderen mit seiner Verkleidung täuschen, aber bestimmt nicht sie. Sie wusste genau, was und wer er war.
Die Temperaturen stiegen rasch an. Tess wischte sich mit dem staubigen Handrücken den Schweiß ab. Ihr Magen knurrte laut und vernehmlich, sie hatte seit dem Vortag nichts mehr gegessen. Außerdem war sie müde, weil sie die ganze Nacht aufgeblieben war, um Tessie zu betreuen, die Durchfall und Fieber hatte. Sie hatte Angst, die Kleine könnte denselben Virus eingefangen haben, der so vielen Leuten den Tod gebracht hatte.
Die Stimmen traten in den Hintergrund und Tess konzentrierte sich nicht länger auf die Befragung der Flüchtlinge, sondern beobachtete verstohlen Max. Seine Wimpern waren dicht und lang und hoben seine wunderbaren blauen Augen noch hervor. Die brennende Sonne hatte seine Haut noch tiefer gebräunt und er sah aus wie ein Gott aus Bronze. Verdammt, ihm so nahe zu sein, machte es ihr und ihrem Körper nicht gerade leicht. Sie freute sich, als sie bemerkte, dass auch er ihr verstohlene Blicke zuwarf. Ganz zweifellos war die erotische Spannung zwischen ihnen immer noch stark und brennend heiß. Ihr Verlangen nach ihm wurde unerträglich. Sie wollte ihn küssen, ihn gleichzeitig zur Hölle schicken. Es wurde unmöglich für sie, auch nur noch eine Minute länger bei ihm zu bleiben und sie entschuldigte sich und ging zurück zum Essenszelt.
Max, der sie nicht aus den Augen verlieren wollte, begleitete sie. Tess versuchte ihn zu ignorieren und starrte geradeaus. Sie durfte diesen Mann nicht unter ihre Haut lassen, erinnerte sie sich selbst immer und immer wieder. Sie beschleunigte ihre Schritte, um ein wenig Abstand von ihm zu gewinnen, aber Max machte nur längere Schritte und holte sie wieder ein.
»Glühend heiß ist es, nicht wahr?«, fragte er leichthin, während seine Augen fest auf Tess‹ elfenbeinfarbenem Gesicht ruhten. Ihr schönes Profil hätte sich wunderbar auf einer Kamee oder auf einem Gemälde ausgemacht. Als sie nichts antwortete, lächelte er insgeheim.
Er hatte schon so viele Frauen gekannt, dass er alles über ihre Körpersprache und Signale wusste. Tess konnte ihm vormachen, was sie wollte, hochmütig oder kurz angebunden sein. Er wusste genau, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Sie hatte ihm heimlich Blicke zugeworfen und leise geseufzt. Er war erregt. Obwohl er sich auf einer Mission befand und objektiv bleiben musste, waren sein Geist und sein Körper nur auf sie konzentriert. Er wollte sie. Sie war eine Herausforderung und sie hatte einmal ihm gehört. Und er war entschlossen, sie zurückzubekommen.
Ein Duft von grüner Erbsensuppe und frisch gebackenen Brotes erreichte ihre Nasen, als sie ankamen. Tess‹ Magen fing deutlich an zu knurren und brachte Max zum Lächeln. Die beiden Nonnen waren gerade dabei, für sich selbst Suppe herauszufassen, boten sie ihnen jedoch an, als sie Tess und Max kommen sahen.
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