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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nach.
    »Lassen Sie ihn weiterfahren!« rief der Stotterer, ohne stehenzubleiben.
    Ein Mann mit primitivem Gesicht und Hängeschnauzer, der sich in der Nähe herumdrückte, schnippte mit den Fingern – zwei unscheinbare Männer kamen herbeigerannt, und die drei flüsterten miteinander.
    Glikerija kehrte als Siegerin zu Rybnikow zurück.
    »Na, sehen Sie, es ist alles gutgegangen. Sie müssen sich nichtwie ein Hase in die Büsche schlagen. Und Ihre Zeichnung wird sich auch wieder anfinden.«
    Doch Rybnikow sah sie gar nicht an, er blickte dem Mann nach, den der Oberleutnant mit »Fandorin« angeredet hatte. Rybnikows gelbliches Gesicht war zur Maske erstarrt, und in seinen Katzenaugen glitzerte es eigenartig.

NAKA-NO-KU
    Erste Silbe,
in welcher Rybnikow
Urlaub nimmt
    Sie verabschiedeten sich freundschaftlich und natürlich nicht endgültig – Rybnikow versprach, sie unbedingt zu besuchen, sobald er sich eingerichtet habe.
    »Ich bitte darum«, sagte die Lidina streng und drückte ihm die Hand. »Ich werde mir Sorgen machen wegen Ihres Etuis.«
    Rybnikow versicherte ihr, er werde sich schon irgendwie herauswinden, und trennte sich von der reizenden Dame mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung, wobei letzteres überwog.
    Er schüttelte den Kopf, um die unangebrachten Gedanken zu vertreiben, und ging als erstes zum Bahnhofstelegrafenamt. Dort erwartete ihn ein postlagerndes Telegramm: »Firmenleitung gratuliert zum glänzenden Erfolg. Einwände annulliert, können Projekt in Angriff nehmen. Information über Erhalt der Ware gesondert.«
    Die Anerkennung und mehr noch die Rücknahme irgendwelcher Einwände waren Rybnikow offenbar sehr wichtig. Seine Miene hellte sich auf, er intonierte sogar die Torero-Arie.
    Die Haltung des Stabskapitäns war irgendwie verändert. Sein Uniformrock saß nach wie vor sackartig (nach den nächtlichen Abenteuern wirkte er noch abgewetzter), doch seine Schultern waren nun straffer, seine Augen blickten munterer, und er humpelte nicht mehr.
    Rybnikow eilte die Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem dieBüroräume lagen, setzte sich aufs Fensterbrett, von wo aus er den ganzen breiten, menschenleeren Gang einsehen konnte, und griff zu seinem Notizbuch, das mit Zitaten und Aphorismen für jede Gelegenheit vollgekritzelt war. Darunter das Sprichwort »Die Kugel ist dumm, das Bajonett dagegen klug« ebenso wie »Der Russe spannt zwar langsam ein, aber er fährt schnell« und »Wer klug ist und betrunken, hat zwei Vorteile auf seiner Seite«. Der letzte Spruch, der Rybnikow interessierte, lautete: »Auch wenn du Iwanow-Sedmoi heißt, so bist du doch ein Dummkopf. A. P. Tschechow.«
    Nach dem Tschechowzitat folgten leere Seiten, doch Rybnikow tropfte aus einem flachen Fläschchen eine farblose Flüssigkeit aufs Papier, verrieb sie mit dem Finger, und auf dem Blatt erschienen merkwürdige Zeichen, die aussahen wie ineinander verschlungene Schlangen. Mit den nächsten Seiten verfuhr er ebenso, und auch sie füllten sich mit den eigentümlichen Krakeln. Rybnikow betrachtete sie eine Zeitlang aufmerksam. Dann überlegte er eine Weile und prägte sich etwas ein, wobei er lautlos die Lippen bewegte. Nach wenigen Minuten verschwanden die Schlangenzeichen wieder.
    Rybnikow kehrte zurück ins Telegrafenamt und versandte zwei dringende Telegramme – nach Samara und nach Krasnojarsk. Der Inhalt war jeweils derselbe: Eine Bitte, am 25. Mai »in bekannter Angelegenheit« nach Moskau zu kommen, ein Zimmer sei »im selben Hotel« bestellt. Beide Telegramme unterzeichnete er »Iwan Gontscharow«.
    Damit schienen die dringenden Angelegenheiten erledigt. Rybnikow ging ins Restaurant und speiste mit großem Appetit und ohne zu geizen – er genehmigte sich sogar einen Kognak und gab dem Kellner ein nicht üppiges, aber doch anständiges Trinkgeld.
    Und das war erst der Beginn der wundersamen Verwandlung des unscheinbaren Offiziers.
    Vom Bahnhof fuhr Rybnikow zur Kusnezki-Brücke, in ein Bekleidungsgeschäft. Er erklärte dem Kommis, er sei wegen einer Verwundung in den Zivilstand versetzt und wolle sich anständige Garderobe zulegen.
    Er kaufte zwei gute Sommeranzüge, ein Jackett, mehrere Paar Hosen, Stiefeletten samt Gamaschen und amerikanische Halbschuhe, eine englische Schirmmütze, einen Strohhut und ein halbes Dutzend Hemden. Er zog sich gleich an Ort und Stelle um, den abgewetzten Uniformrock legte er in seinen Koffer, den Säbel ließ er in Papier einwickeln.
    Und noch eins: Vorgefahren war

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