Diamantene Kutsche
man den verliebten Narren bestimmt durch Warten quälen. Doch kaum hatte er die Pavillontür geöffnet, da bemerkte er den bekannten Irisduft, der sein Herz schneller schlagen ließ, doch rasch beugte es sich dem Befehl der Vernunft und fand zu seinem normalen Rhythmus zurück.
O-Yumi war also als erste gekommen. Nun, um so besser.
In der winzigen Diele war es recht hell – der Mondschein fiel durch die Spalte der Holzjalousie. Fandorin bemerkte einen papiernen Wandschirm und auf dem Fußboden vor den leicht erhöhten Tatami zwei Lacksandalen. Ach ja, nach japanischem Brauchmußte man die Schuhe ausziehen, bevor man die Strohmatten betrat.
Aber Fandorin hatte nicht die Absicht, die Schuhe auszuziehen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und räusperte sich, obwohl die »Meisterin« natürlich bereits gehört hatte, daß das »Objekt« gekommen war.
Der Wandschirm wurde aufgeschoben. Dahinter, die Türflügel offenhaltend, stand O-Yumi. Von ihren ausgebreiteten Armen hingen weite Kimonoärmel herab, so daß sie aussah wie ein Schmetterling. Effektvoll, dachte Fandorin spöttisch.
Das Gesicht der Kurtisane war nicht zu sehen, nur ihre Silhouette vor silbrig schillerndem Hintergrund.
»Komm schnell herein!« rief ihre tiefe, heisere Stimme. »Hier ist es wunderschön! Schau, ich habe das Fenster weit geöffnet, davor liegen der Teich und der Mond. Tsurumaki, der alte Gauner, hat einen Sinn für Schönheit.«
Doch Fandorin rührte sich nicht von der Stelle.
»Was hast du denn?« Sie trat auf ihn zu. »Komm her!«
Ihre Finger wollten sein Gesicht berühren, wurden aber von einer festen, behandschuhten Hand abgefangen.
Nun sah er ihr Gesicht – es war unerträglich schön, selbst jetzt, da er alles wußte.
Nein, nicht alles.
Fandorin stellte die Frage, derentwegen er gekommen war.
»Warum?« fragte er streng und fordernd. »Was wollen Sie von mir?«
Ein echter Profi wäre natürlich anders vorgegangen. Er hätte getan, als ahne er nicht, daß er als Trottel und Einfaltspinsel dastand, und hätte die heimliche Absicht dieser frischgebackenen Circe erkundet, die Männer in Schweine verwandelte. Und es ihr bei der Gelegenheit mit gleicher Münze heimgezahlt.
Fandorin hielt sich zwar für einen passablen Profi, aber sich vorder Verstellungskünstlerin zu verstellen war ihm zuwider und wäre ihm wohl auch kaum gelungen – sein aufsässiges Herz schlug noch immer heftiger als nötig.
»Ich bin nicht so reich und schon gar nicht so einflußreich wie Ihr G-gönner. Ich verfüge über keinerlei Geheimkenntnisse. Wozu also brauchen Sie mich?«
O-Yumi hörte ihn schweigend an und versuchte nicht, ihre Hand zu befreien. Er stand auf dem Holzfußboden, sie auf einer Tatami, darum waren ihre Gesichter fast auf gleicher Höhe, nur wenige Zoll voneinander entfernt. Doch Fandorin dachte, er würde den Ausdruck dieser länglichen, feucht glänzenden Augen wohl nie deuten können.
»Wer weiß schon die Antwort auf diese Frage?« entgegnete sie leise. »Wozu ich dich brauche und du mich. Man fühlt einfach, daß es so sein muß, und alles andere ist ohne Bedeutung.«
Nicht so sehr die Worte als vielmehr der Ton, in dem sie gesagt wurden, veranlaßte Fandorin, den Druck seiner Finger zu lösen. O-Yumi streckte ihre nun freie Hand nach seinem Gesicht aus und berührte sanft seine Wange.
»Du solltest keine Fragen stellen. Und nicht versuchen zu verstehen – das ist ohnehin aussichtslos. Höre auf dein Herz, es wird dich nicht betrügen.«
»O doch! Und wie«, wollte Fandorin ausrufen, doch da traf sein Blick auf den von O-Yumi und konnte sich nicht losreißen.
»Gehört das auch zu deiner Kunst, ja?« sagte er mit versagender Stimme, als ihre Hand tiefer glitt, hinter seinen Kragen, und zärtlich seinen Hals streichelte.
»Zu welcher Kunst? Wovon redest du?«
Ihre Stimme war nun noch tiefer, gedämpfter. Sie schien den Sinn seiner Worte gar nicht zu erfassen und auch nicht recht zu wissen, was sie selbst sagte.
»Jojutsu!« rief Fandorin das verhaßte Wort aus. »Ich weiß Bescheid! Du stellst dich verliebt, dabei ist das alles nur Jojutsu!«
So, nun war die Anklage heraus, nun würde ihr die Mimik entgleisen, ihr Zauber sich auflösen!
»Warum schweigst du? D-das ist doch wahr, oder?«
Verblüffend: Sie wirkte nicht im geringsten verlegen.
»Was ist wahr?« murmelte O-Yumi mit noch immer halb schlaftrunkener Stimme und streichelte weiter seine Haut. »Nein, das ist nicht wahr – ich verstelle mich nicht.
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