Diamantene Kutsche
gemunkelt, aber ein toter Löwe ist nicht mehr der König der Tiere, er wird zu gewöhnlichem Aas, deshalb interessierte sich niemand mehr für den toten Okubo. In den oberen Sphären wehte nun ein anderer Wind, die Lieblinge des ermordeten Ministers wichen den Günstlingen der Gegenpartei.
»Ist Sugas Beteiligung an der Verschwörung ein G-gerücht oder verbürgte Tatsache?« fragte Fandorin, enttäuscht von dem wenig gehaltvollen Geschwätz.
Der Fürst zuckte die Achseln.
»Beweise gibt es natürlich keine, aber meine Informationen stimmen gewöhnlich, sonst wäre ich längst verhungert. Der Geizhals Tsurumaki, der unserer Familie alles verdankt, zahlt mir eine so magere Unterstützung, daß es kaum für anständige Hemden reicht.«
Fünftausend Yen im Monat, erinnerte sich Fandorin. Das Zwanzigfache seines Vizekonsul-Gehalts.
»Und wer leitete die V-verschwörung? Von wem hat Suga zur Belohnung das Gut Takarazaka bekommen?«
»Die Satsuma-Samurai haben eine ganze Organisation geschaffen, um den ›Verräter‹ Okubo zu vernichten. Diese Leute waren auf eine langwierige Jagd eingestellt und haben einen Haufen Geld gesammelt. Genug für ein Dutzend Güter.«
Die weitere Befragung brachte nichts. Onokoji wiederholte sich, schweifte ab zu Hofklatsch und brachte die Vernehmer schier zum Wahnsinn.
Als sie schließlich begriffen, daß sie nichts Nützliches mehr erfahren würden, zogen sie sich zurück und versuchten, einen Plan für ihr weiteres Vorgehen zu entwerfen.
»Bis auf die Bestätigung von Sugas Schuld und einige Details ohne jeden Beweis haben wir gar nichts«, sagte Fandorin verärgert, der glaubte, diese Suppe umsonst eingebrockt zu haben. Die raffinierte und moralisch höchst zweifelhafte Operation hatte wenig gebracht.
Auch Asagawa war düster, aber noch immer voller Entschlossenheit.
»Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben. Suga muß für seine Untat bestraft werden.«
»Wie wäre es damit?« meldete sich Lockstone. »Der Intendant bekommt einen anonymen Brief, in dem steht: ›Du denkst, du bist schlau und hast alle reingelegt, aber du hast Spuren hinterlassen, Junge. Ich hab was gegen dich in der Hand. Auf Okubo pfeif ich, geschieht ihm ganz recht, aber ich brauche dringend Geld. Komm dann und dann da und da hin, dann tauschen wir: Ich geb dir das Belastungsmaterial, du mir – sagen wir, zehntausend.‹ Und damit es glaubwürdiger aussieht, schildern wir in dem Brief ein paar Einzelheiten seiner Machenschaften: die geklauten Beweismittel, die Sache mit dem Knebel, das gewonnene Gut. Das wird Suga auf jeden Fall nervös machen, er wird sehenwollen, wer der Erpresser ist und was er in der Hand hat. Wenn er keinen Polizeitrupp zum verabredeten Ort schickt, sondern selber kommt, verrät er sich damit schon. Na, wie ist mein Plan?« Der Sergeant sah seine Kameraden stolz an. »Nicht schlecht, wie?«
Fandorin enttäuschte ihn.
»Schlecht. Er taugt nichts. Suga wird natürlich nicht kommen. Er ist nicht dumm.«
Lockstone ließ nicht locker: »Sie meinen, er schickt Polizisten? Wohl kaum. Er wird kein Risiko eingehen wollen. Vielleicht besitzt der Erpresser ja wirklich Beweise?«
»K-keine Polizisten. Einen neuen Trupp Satsuma-Samurais, und der wird Hackfleisch aus uns machen.«
»Tja, das ist sehr wahrscheinlich«, bestätigte der Doktor.
Der Inspektor aber sagte gar nichts, schaute nur noch düsterer drein.
Die Beratenden verstummten.
»He! Was flüstern Sie da?« rief Onokoji und trat näher ans Gitter. »Sie wissen nicht, wie Sie Suga kriegen können? Ich kann es Ihnen sagen! Und dafür lassen Sie mich frei. Abgemacht?«
Die vier drehten sich zu dem Arrestanten um. Spontan traten sie alle ans Gitter.
Der Fürst streckte eine Hand durch die Stäbe.
»Eine Ampulle als Reserve. Und eine Spritze. Als Vorschuß.«
»Geben Sie sie ihm«, sagte Asagawa zum Doktor. »Wenn er Blödsinn redet, nehmen wir sie ihm wieder weg.«
Der Salonlöwe kostete den Augenblick aus und ließ sein Publikum warten. Er fegte ein Staubkorn von seinem leicht zerknitterten Gehrock und rückte die Manschette zurecht, packte die Ampulle sorgfältig in die Westentasche, nachdem er sie geküßt und geflüstert hatte: »Oh, mein Häppchen Glück!« Dann lächelte er siegesbewußt.
»Ach, man schätzt mich viel zu gering!« rief er. »Und bezahlt mich miserabel! Aber dauernd kommen sie zu mir: ›Erzählen Sie, erkunden Sie, finden Sie heraus.‹ Onokoji weiß alles, über jeden. Denken Sie an meine Worte, Gentlemen.
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