Diamantene Kutsche
nicht aus, als friere sie. Im Gegenteil: DenBlick auf den attraktiven Brünetten gerichtet, schlug sie wie unabsichtlich das Laken auseinander, und Fandorin zwinkerte verblüfft: Die Brust der minderjährigen Baska war über ihr Alter hinaus entwickelt. Obwohl – der Teufel wußte, wie alt sie wirklich war.
Shirota führte also die Geschädigte hinaus, Fandorin blieb zur Ausfertigung des Protokolls. Bald erschien auch der japanische Vertreter, der Chef der einheimischen Polizei Asagawa.
Der Fürst stürzte auf ihn zu, wedelte mit den Armen und sprach auf Japanisch hastig auf ihn ein.
»Ruhe!« blaffte Lockstone. »Ich verlange, daß alle Gespräche in einer Sprache geführt werden, der die geschädigte Seite mächtig ist.«
Die geschädigte Seite, also Fandorin, nickte düster.
»Der Mann, der sich Fürst Onokoji nennt, hat mir angeboten, für meine Beförderung zu sorgen, wenn ich die Sache unter den Teppich kehre«, teilte Asagawa ungerührt mit.
Der Verhaftete sah die drei gehetzt an, und seine Augen glänzten – er schien allmählich zu begreifen, daß er nicht zufällig aufs Revier gelangt war. Doch er zog daraus einen falschen Schluß.
»Na schön, na schön«, sagte er spöttisch und hob zum Zeichen der Kapitulation die Hände. »Ich sehe, ich sitze in der Falle. Das haben Sie geschickt eingefädelt. Aber Sie erwartet eine Enttäuschung, Gentlemen. Sie meinen, weil ich ein Fürst bin, habe ich die Taschen voller Geld? Leider nein! Ich bin arm wie eine Tempelschildkröte. Bei mir ist nichts zu holen. Ich kann Ihnen sagen, wie die Sache enden wird. Ich sitze eine Nacht in Ihrer Zelle, und morgen kommt ein Minister und holt mich raus. Und Sie gehen leer aus.«
»Und die Schande?« fragte Asagawa. »Sie als Sprößling eines berühmten alten Geschlechts sind in einen schmutzigen Skandal verwickelt. Ihre Beschützer werden Sie vielleicht rausholen, aber anschließend die Beziehungen zu Ihnen abbrechen. Die Gesellschaftwird sich von Ihnen abwenden wie von einem Pestkranken. Keine Protektion mehr, keine milden Gaben von Verwandten.«
Onokoji kniff die Augen zusammen. Dieser kleine Mann war offenbar keineswegs dumm.
»Was wollen Sie von mir? Ich sehe doch, Sie wollen auf irgend etwas hinaus. Reden Sie ohne Umschweife. Wenn der Preis reell ist, werden wir uns einigen.«
Asagawa und Fandorin wechselten einen Blick.
»Suga«, sagte der Inspektor leise. »Wir wollen Suga. Erzählen Sie alles, was Sie über seine Rolle bei der Ermordung von Minister Okubo wissen, und wir lassen Sie frei.«
Der Fürst erbleichte so rasch, als wäre ihm jemand mit einem in Bleiweiß getauchten Pinsel übers Gesicht gefahren.
»Darüber weiß ich nichts«, stammelte er.
»Vor einer Woche haben Sie Aldgernon Bullcocks erzählt, welchen Lohn Suga für die geleistete Arbeit bekommen wird«, schaltete Fandorin sich ein. »Leugnen Sie nicht, das ist zwecklos.«
Der Fürst starrte den Vizekonsul entsetzt an – von dieser Seite hatte er offenbar keinen Angriff erwartet.
»Wie können Sie …? Wir waren zu zweit im Zimmer!« Onokoji klapperte verwirrt mit den Lidern.
Fandorin war sicher, daß der schwächliche Lebemann gleich ins Zittern kommen würde. Doch erst einmal hatte er selbst Grund zu zittern.
»Aha!« rief der Verhaftete. »Seine Konkubine, ja? Sie spioniert also für die Russen? Aber natürlich! Dienstboten waren keine im Haus, nur sie!«
»Welche Konkubine? Von wem reden Sie?« fragte Fandorin hastig (ein wenig zu hastig). Sein Herz verkrampfte sich. Das fehlte noch, daß er O-Yumi ins Unglück stürzte! »Man sollte n-nicht am offenen Fenster schwatzen, wo fremde Ohren mithören können.«
Schwer zu sagen, ob er Onokoji mit dieser Bemerkung vonseinem gefährlichen Verdacht abgebracht hatte. Jedenfalls zeigte sich der Fürst nicht zur Offenherzigkeit geneigt.
»Ich sage gar nichts«, knurrte er mißmutig. »Ich pfeif auf die Schande, mein Leben ist mir mehr wert. Ihr Agent hat sich geirrt. Ich weiß nichts über den Intendanten Suga.«
Dabei blieb er. Die Drohung mit einem Skandal beeindruckte ihn nicht. Stur wiederholte er lediglich die Forderung, die Tokioter Polizei über die Verhaftung eines Vertreters des Hochadels zu informieren, eines Verwandten von vier Generalen und zwei Ministern, eines Schulkameraden zweier kaiserlicher Hoheiten und so weiter und so fort.
»Japan wird nicht zulassen, daß Fürst Onokoji in einem ausländischen Gefängnis festgehalten wird«, erklärte er abschließend.
Stimmt das,
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