Diamantene Kutsche
fragte Fandorin mit einem Blick den Inspektor. Der nickte.
Und was nun?
»Sagen Sie, Sergeant, Sie sind bestimmt sehr beschäftigt mit Schreibarbeit, Berichten, Dokumentationen?« fragte Asagawa.
»Na ja, es geht«, erwiderte Lockstone erstaunt.
»Aber, aber«, sagte der Inspektor nachdrücklich. »Sie sind für das ganze Settlement verantwortlich. Hier leben Angehörige von fünfzehn Staaten, im Hafen liegen jede Menge Schiffe, und Sie haben nur zwei Hände.«
»Das ist wahr«, bestätigte der Sergeant, der noch immer nicht begriff, worauf der Japaner hinauswollte.
»Ich weiß, daß Sie laut Gesetz verpflichtet sind, die Verhaftung eines japanischen Untertans innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu melden, aber manchmal ist das womöglich nicht zu schaffen.«
»Das ist wahr. Zwei, drei Tage dauert das schon. Wenn nicht gar vier«, ging der Amerikaner auf das Spiel ein.
»Also bekomme ich in vier Tagen eine offizielle Meldung von Ihnen. Ich habe ebenfalls viel zu tun. Zu wenig Leute, ich kommekaum zurecht. Bis ich die Sache ans Departement weitermelde, vergehen womöglich weitere drei Tage …«
Onokoji lauschte dem Gespräch mit wachsender Sorge.
»Hören Sie, Inspektor!« rief er. »Sie sind doch schon hier! Sie wissen, daß ich von den Ausländern verhaftet wurde!«
»Ich weiß allerhand. Aber ich muß davon offiziell Meldung erhalten, so verlangt es die Vorschrift.« Asagawa hob belehrend den Zeigefinger.
Fandorin hatte keine Ahnung, was dieses seltsame Manöver bezwecken sollte, bemerkte aber ein sonderbares Zucken im Gesicht des Arrestanten.
»He, Wachhabender!« rief der Sergeant. »In die Zelle mit dem da. Und schicken Sie ins Bordell nach seinen Sachen.«
»Was bringt uns diese Verzögerungstaktik?« fragte Fandorin halblaut, als man den Fürsten abgeführt hatte.
Statt einer Antwort lächelte Asagawa nur.
Wieder war Nacht. Wieder schlief Fandorin nicht. Er litt nicht unter Schlaflosigkeit, nein, der Schlaf schien nicht mehr zu existieren, er war nicht mehr nötig. Vielleicht lag das Übel auch darin, daß der Vizekonsul nicht einfach im Bett lag – er lauschte. Er hatte die Tür zur Diele offengelassen, und mehrmals glaubte er die Treppe unter leichten Schritten knarren zu hören, als stünde dort im Dunkeln jemand und könne sich nicht entschließen anzuklopfen. Einmal hielt Fandorin es nicht mehr aus und stand auf, lief rasch hinaus in die Diele und riß die Tür auf. Natürlich war niemand da.
Als schließlich doch ein Klopfen ertönte, klang es laut und ruppig. Das konnte nicht O-Yumi sein, darum zuckte Fandorins Herz nicht zusammen. Er setzte sich auf und zog die Stiefel an, als Masa den nächtlichen Besucher schon über den Flur führte.
Es war ein Constable der Munizipalpolizei. Der Sergeant bat den Herrn Vizekonsul umgehend aufs Revier.
Fandorin lief rasch den dunklen Bund entlang, mit dem Spazierstock klackend. Hinter ihm her trottete gähnend Masa. Ihn davon abhalten zu wollen war sinnlos.
Ins Polizeirevier kam der Diener nicht mit hinein, er setzte sich auf die Treppe, ließ seinen Stoppelkopf sinken und schlief ein.
»Der Japs hat Krämpfe«, sagte Lockstone zum Vizekonsul. »Er brüllt, schlägt mit dem Kopf gegen die Wand. Vielleicht hat er ja die Fallsucht? Ich hab ihn vorsichtshalber fesseln lassen. Und nach Ihnen geschickt, nach Asagawa und nach Doktor Twiggs. Der Doc ist schon hier, der Inspektor noch nicht.«
Bald kam auch Asagawa. Er hörte den Sergeant an und wunderte sich nicht im geringsten.
Er fragte nur: »So schnell?« und gab keine weiteren Erklärungen. Die seltsame Ruhe des Inspektors und der ganze Zweck seines »Manövers« klärte sich, als Doktor Twiggs ins Zimmer trat.
»Guten Abend, Gentlemen«, begrüßte er den Vizekonsul und den Inspektor. »Das ist keine Epilepsie. Gewöhnliche Entzugskrämpfe. Der Mann ist Morphinist. Die Armvenen sind total zerstochen. Hinzu kommen natürlich die Folgen einer Hysterie und sein schwacher Charakter, aber generell hält ein Mensch in diesem Stadium nicht länger als zwölf Stunden ohne die gewohnte Dosis durch.«
»Ich sagte Ihnen ja, Fandorin-san, der Fürst ist anfällig für jedes Laster«, bemerkte Asagawa. »Nun wird er ganz anders singen. Kommen Sie.«
Die Zelle war eine Nische im Flur, abgeteilt durch ein dickes Eisengitter.
Auf einer Holzpritsche saß der an Armen und Beinen gefesselte Onokoji, bebte wie vor Schüttelfrost und klapperte mit den Zähnen.
»Doktor, geben Sie mir eine Spritze!« rief
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