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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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sogar aus eigener Tasche einen Vorschuß gezahlt. Ein wunderbarer alter Mann! Dafür mußte er sein Stammgut verpfänden. Die Shinobi haben, wie gesagt, gute Arbeit geleistet und das Geheimversteck gefunden. Aber sie gingen nicht rein, sie verlangten mehr Geld, wie vorher abgemacht. Doch gerade zu der Zeit saß ich auf dem trockenen und konnte nicht zahlen. So etwas nehmen die Ninja übel. Wenn der Auftraggeber sich nicht an die Bedingungen hält, ist das sein Ende. Er wird getötet, und zwar auf grauenvolle Weise. Oh, das sind schreckliche, ganz schreckliche Menschen!«
    »Aber Sie leben doch noch, mein Freund«, bemerkte Lockstone.
    Der Fürst war erstaunt.
    »Wieso ich? Auftraggeber war mein Vasall. Der mußte dafür geradestehen. Urplötzlich überfiel den alten Mann eine seltsame Krankheit. Seine Zunge schwoll an und hing heraus, dann wurde seine Haut schwarz und die Augen liefen aus. Der Ärmste schrie zwei Tage und Nächte lang, dann starb er. Wissen Sie, die Ninja sind Virtuosen in der Zubereitung der ausgefallensten Mixturen, heilender wie todbringender. Es heißt, sie …«
    »Zum Teufel mit den Ninja!« unterbrach ihn der Sergeant, sehr zu Fandorins Mißfallen. »Wo ist das Geheimversteck? Hat der Samurai Ihnen das noch erzählen können? Nun reden Sie schon, Mann!«
    »Ja. Das Geheimversteck hat Suga immer griffbereit. Letztes Jahr bekam die Polizeiverwaltung ein neues Gebäude im Stadtteil Yaesu. Suga, damals Vize-Intendant, beaufsichtigte die Bauarbeiten und ließ in seinem Büro einen Geheimraum einbauen. Die Arbeiten leitete ein amerikanischer Architekt. Er ertrank kurz darauf. Vielleicht erinnern Sie sich an die traurige Geschichte? Sie stand in allen Zeitungen. Zum Dank für den gut ausgeführten Auftrag organisierte die Verwaltung eine Dampferfahrt für den Architekten und die besten Arbeiter, und unglücklicherweise kenterte der Dampfer. Unter den besten Arbeitern waren auch die drei, die den Geheimraum gebaut hatten.«
    »Was für eine Niedertracht!« rief der Inspektor aus. »Jetzt begreife ich, warum Suga, als er Chef der Behörde wurde, in seinem früheren Büro geblieben ist. Und bei uns rühmen alle seine Bescheidenheit!«
    »Wie gelangt man an das Geheimversteck?« fragte Fandorin.
    »Das weiß ich nicht genau. Irgendwo gibt es einen verborgenen Hebel – das ist alles, was die Ninja meinem Alten erzählt haben. Mehr weiß ich nicht, Gentlemen, aber Sie müssen zugeben, daß meine Informationen für Sie äußerst wertvoll sind. Ich finde, Sie müssen mich unverzüglich freilassen.«
    Asagawa und Fandorin sahen sich an. Sie verstanden einander ohne Worte.
    »Das werden wir sehen, wenn wir zurück sind«, sagte der Inspektor. »Aber Ihr Häppchen Glück haben Sie sich verdient.«
     
    Nein, so gern man will,
    Es läßt sich nicht abzwacken
    Ein Häppchen vom Glück.

2:18
    Zum »Bruch« (wie Fandorin ihre Operation im stillen nannte) gingen sie zu zweit. Der Doktor als Familienvater und freiwilliges Mitglied ihrer Gemeinschaft äußerte nicht den Wunsch, an der riskanten Aktion teilzunehmen. Lockstone tat es zwar, wurde jedoch abgewiesen. Asagawa ließ alle japanische Höflichkeit fahren und erklärte, der Amerikaner röche eine Meile gegen den Wind nach Zigarrentabak, so röche kein Japaner. Und sein weißblonder Kopf würde im Dunkeln zu sehr auffallen. Der russische Vizekonsul sei etwas anderes, dessen Haare hätten eine normale menschliche Farbe. Allein mit Fandorin, äußerte er sich noch drastischer über den Sergeant: »Bei dieser Sache braucht man Verstand, und unser amerikanischer Bison will immer mit dem Kopf durch die Wand.«
    Der Tag verging mit Vorbereitungen. Asagawa fuhr in die Polizeiverwaltung, angeblich dienstlich, in Wirklichkeit aber zu einem einzigen Zweck: um den Riegel im Toilettenfenster anzusägen. Fandorin kümmerte sich um passende Kleidung für das nächtliche Abenteuer – er kaufte eine Ballmaske und einen enganliegenden schwarzen Fechtanzug und rieb die Kautschuksohlen seiner Gymnastikschuhe mit Schuhwichse ein.
    Sein Versuch, auszuschlafen, mißlang.
    Als es dunkelte, schickte er Masa, damit der sich nicht an ihn hängte, nach einer Abendzeitung ins Grand Hotel, er selbst eilte zum letzten Zug.
    Er und der Inspektor saßen im selben Wagen, aber an verschiedenen Enden und ohne sich anzusehen.
    Fandorin schaute aus dem Fenster auf die im Dunkeln vorbeiziehenden Lichter und staunte über sich selbst. Warum ließ er sich auf dieses Abenteuer ein? Wofür setzte er

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