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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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er. »Ich sterbe! Es geht mir furchtbar elend!«
    Twiggs sah die anderen fragend an.
    Lockstone kaute ungerührt auf seiner Zigarre, Asagawa schaute den Leidenden zufrieden an. Nur dem Vizekonsul war offenkundig nicht wohl.
    »Halb so schlimm«, sagte der Sergeant. »In einer Woche sind Sie wieder frei, dann können Sie sich spritzen.«
    Der Fürst heulte und krümmte sich zusammen.
    »Das ist Folter«, sagte Fandorin halblaut. »Machen Sie, was Sie wollen, meine Herren, aber ich möchte nicht auf diese Weise eine Aussage erlangen.«
    Der Inspektor zuckte die Achseln.
    »Wo foltern wir ihn denn? Er foltert sich selbst. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber in japanischen Gefängnissen gibt man Gefangenen keine Drogen. Vielleicht herrschen bei der Munizipalpolizei andere Regeln? Haben Sie Morphium vorrätig, um die Leiden verhafteter Morphinisten zu lindern?«
    »Das fehlte noch.« Lockstone schüttelte begeistert den Kopf. »Alle Achtung, Go, Sie sind ein Fuchs. Da kann man was lernen.«
    Diesmal protestierte Goemon Asagawa nicht gegen die plumpe amerikanische Vertraulichkeit, sondern lächelte nur geschmeichelt.
    »Das ist ja eine richtige Entdeckung!« fuhr der Sergeant fort und geriet immer mehr in Begeisterung. »Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für die Polizei! Was tun, wenn ein Täter sich stur stellt, seine Komplizen nicht verraten will? Früher hat man ihn auf die Folterbank gespannt, ihn mit glühenden Zangen gezwickt und so. Aber das ist erstens unzivilisiert, und zweitens gibt es ganz Hartgesottene, denen man mit keiner Folter beikommt. Aber das hier – bitte sehr! Ganz kultiviert und wissenschaftlich! Man gewöhnt so einen Starrkopf an Morphium, und dann, bums, gibt man ihm keins mehr. Und schon packt er brav aus! Hören Sie, Go, darüber schreibe ich einen Artikel für die Polizeizeitung. Ich werde Sie natürlich darin erwähnen. Aber die Idee ist von mir. Bei Ihnen hatsich das nur zufällig so ergeben, aber als Methode ist es meine Erfindung. Das werden Sie doch nicht bestreiten, mein Freund?« fragte Lockstone besorgt.
    »Nein, nein, Lockstone, keine Sorge. Sie brauchen mich auch gar nicht zu erwähnen.« Der Inspektor trat zum Gitter und betrachtete den schluchzenden Fürsten.
    »Sagen Sie, Doktor, findet sich in Ihrer Tasche wohl eine Ampulle Morphium und eine Spritze?«
    »Selbstverständlich.«
    Onokoji richtete sich auf und sah Asagawa flehend an.
    »Nun, Durchlaucht, wollen wir uns unterhalten?« fragte der Inspektor herzlich.
    Der Arrestant nickte und leckte sich die trockenen lila Lippen.
    Fandorin runzelte die Stirn, schwieg aber – jetzt hatte der japanische Inspektor das Kommando.
    »Danke, Doktor«, sagte Asagawa. »Machen Sie eine Spritze fertig und geben Sie sie mir. Sie können schlafen gehen.«
    Twiggs mochte offenkundig nicht gehen. Neugierig schaute er zu dem Gefesselten, wühlte langsam in seinem Köfferchen, öffnete ohne Eile eine Ampulle und betrachtete lange die Spritze.
    Niemand hatte die Absicht, den Arzt in die Geheimnisse der politischen Intrigen einzuweihen, doch das ergab sich ganz von selbst.
    »Nun machen Sie schon, schnell!« rief der Fürst. »Ich flehe Sie an! Warum dauert das so lange? Eine kleine Spritze, und ich erzähle Ihnen über Suga alles, was ich weiß!«
    Twiggs spitzte die Ohren.
    »Über wen? Über Suga? Den Polizei-Intendanten? Was hat er denn getan?«
    Also mußten sie es ihm wohl oder übel erklären. So geschah es, daß die Gruppe, die den seltsamen Tod von Kapitän Blagolepow untersucht hatte, wieder in alter Besetzung beisammen war. Nunallerdings mit einem anderen Status: Nicht mehr als offizielle Ermittler, sondern eher als eine Art Verschwörer.
     
    Nachdem man den Arrestanten losgebunden und gespritzt hatte, kam wieder Farbe in seine Wangen, er lächelte, wurde locker und gesprächig. Er schwatzte viel, sagte dabei jedoch wenig Substantielles.
    Laut Onokoji hatte der frischgebackene Polizei-Intendant sich an der Verschwörung gegen den großen Reformer beteiligt, weil er insgeheim gekränkt war, daß man ihn einem nichtsnutzigen Aristokraten mit wichtigen Verbindungen unterstellt hatte. Suga, ein kluger und listiger Mann, verfolgte mit seiner Intrige zwei Ziele zugleich: Er wollte sich an dem Minister rächen, der ihn nicht seinem Wert gemäß geschätzt hatte, und die Verantwortung dafür auf seinen unmittelbaren Vorgesetzten lenken, um dessen Stelle einzunehmen. Beides war gelungen. In der Gesellschaft wurde zwar allerlei

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