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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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seine Ehre und die seines Landes aufs Spiel? Ihn graute davor, welche Folgen es haben würde, wenn man ihn, einen russischen Diplomaten, nachts im Büro des Polizeichefs erwischte. In wessen Namen ging er dieses Risiko ein? Um einen einheimischen Beamten zu entlarven, der einen anderen einheimischen Beamten hinterhältig vernichtet hatte? Mochte sie doch alle der Teufel holen!
    Das verlangen die Interessen Rußlands, argumentierte Fandorin unsicher. Wenn ich Suga stürze, ist das ein Schlag gegen die Partei, die den Interessen meines Vaterlandes feindlich gesonnen ist.
    Nicht sehr überzeugend. Er selbst sagte doch immer, keine Interessen des Staates (und schon gar keine geopolitischen) könnten wichtiger sein als die eigene Ehre und Würde. Schöne Ehre – als Schornsteinfeger verkleidet in fremden Geheimverstecken wühlen!
    Er versuchte es anders, auf Asagawas Art. GERECHTIGKEIT, WAHRHEIT – sie zu verteidigen war die Pflicht jedes anständigen Menschen. Man durfte nicht zulassen, daß Niedertracht ungestraft blieb. Wenn man sie deckte oder tatenlos geschehen ließ, wurde man selbst zum Komplizen und beleidigte damit seine eigene Seele und Gott.
    Doch auch diese hochmoralischen Argumente berührten den Vizekonsul trotz aller Erhabenheit wenig. Es ging nicht um die Verteidigung der GERECHTIGKEIT. Auch Suga hatte sich bei seiner Intrige von seinen Vorstellungen von WAHRHEIT leitenlassen, die sich allerdings von denen Fandorins unterschieden. Nein, Fandorin wollte sich nichts vormachen – nicht irgendwelcher hehren Begriffe wegen stürzte er sich in dieses nächtliche Abenteuer.
    Er wühlte noch ein wenig in seinem Inneren und stieß schließlich auf den wahren Grund. Er gefiel ihm nicht, denn er war simpel, unromantisch, ja, sogar demütigend.
    »Eine weitere schlaflose Nacht in Erwartung der Frau, die nie mehr kommen wird, hätte ich nicht ausgehalten«, sagte sich Fandorin aufrichtig. »Alles ist mir recht, jede aberwitzige Unternehmung, nur das nicht.«
    Als die Lokomotive pfeifend die Endstation erreichte, den Bahnhof Nihombashi, dachte Fandorin plötzlich: Ich bin vergiftet. Mein Hirn und mein Herz werden von einem langsam wirkenden Gift zerfressen. Das ist die einzige Erklärung.
    So dachte er und beruhigte sich sogleich, als sei nun alles an seinen Platz gerückt.
     
    Solange noch Passanten auf der Straße waren, hielt Fandorin Abstand von seinem Partner. Er gab sich den Anschein eines müßigen Touristen und schwenkte lässig die Aktentasche mit der Spionsausrüstung.
    Bald erreichten sie die Büroviertel, in denen kaum noch Leute unterwegs waren, denn die Dienstzeit war längst vorbei. Fandorin verkürzte den Abstand zum Inspektor und ging nun fast direkt hinter ihm. Hin und wieder gab Asagawa halblaut Erklärungen.
    »Sehen Sie das weiße Gebäude hinter der Brücke? Das ist das städtische Gericht von Tokio. Von dort ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Polizeiverwaltung.«
    Die europäisch-maurische Architektur des zweistöckigen weißen Palastes wirkte für eine Einrichtung der Justiz ein wenig verspielt. Dahinter entdeckte Fandorin einen hohen Holzzaun.
    »Dort drüben?«
    »Ja. Früher befand sich an dieser Stelle das Gut der Fürsten Matsudaira. Aber wir gehen nicht zum Tor, da steht ein Posten.«
    Eine kleine Gasse führte nach links. Asagawa schaute sich um, winkte Fandorin, und die beiden Komplizen tauchten in den schlauchartigen dunklen Durchgang.
    Rasch zogen sie sich um. Auch der Inspektor schlüpfte in etwas enganliegendes Schwarzes, band sich ein Tuch um den Kopf und verhüllte den unteren Teil seines Gesichts.
    »Genau so kleiden sich die Ninja«, flüsterte er und kicherte nervös. »Also vorwärts!«
    Auf das Gelände der Polizeiverwaltung gelangten sie ganz einfach: Asagawa legte die Hände zusammen, Fandorin stieg darauf und war im Nu oben; dann half er dem Inspektor hoch. Offenbar überstieg es die Vorstellungskraft der Polizei, daß Unholde freiwillig in das Allerheiligste der Gesetzeshüter einbrechen könnten. Jedenfalls gab es auf dem Hof keinerlei Wachen, nur rechterhand, am Haupteingang, lief eine Gestalt in Uniform und Käppi auf und ab.
    Asagawa bewegte sich flink und sicher. Gebückt lief er zu einem niedrigen Gebäude in pseudojapanischem Stil. Dann die weiße Wand entlang, an einer langen Reihe blinder Fenster vorbei. Unter dem äußersten Eckfenster blieb er stehen.
    »Ich glaube, das ist es … Helfen Sie mir mal.«
    Er umschlang Fandorins Hals, stieg mit einem Fuß

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