Diamantene Kutsche
kann.‹«
Fandorin dachte daran, wie Tsurumaki bei diesen Worten gelächelt hatte – anscheinend aufrichtig, doch ihm war sofort eingefallen, was der Millionär einmal in bezug auf Bullcocks gesagt hatte: »Aber mein lieber Fandorin-san, wissen Sie denn nicht: Eines der größten Vergnügen ist das Gefühl der Überlegenheit gegenüber jemandem, der sich als etwas Besseres dünkt als Sie.«
»Nun war es Zeit, Emotionalität zu zeigen – derartiges erwartet man von einem so zurückhaltenden Subjekt wie Ihrem ergebenen D-diener nicht. Um so stärker ist die Wirkung. ›Ich habe niemanden sonst, an den ich mich wenden könnte‹, sagte ich kummervoll. ›Der Konsul scheidet aus, denn meine Vorgesetzten haben mir verboten, mich zu duellieren. Und alle meine Freunde – DoktorTwiggs, Sergeant Lockstone, Inspektor Asagawa – wurden hinterhältig ermordet. Ja, ja, ermordet, dessen bin ich mir sicher! Das ist das Werk der verfluchten Ninja! Aber sie sind nur das Werkzeug, geschickt hat sie der Mann, dessen Namen Onokoji mir nennen wollte. Ich schwöre, ich werde ihn finden, koste es, was es wolle! Ich werde Onokojis gesamten Bekanntenkreis durchleuchten! Es muß jemand sein, der ihm nahestand, sonst hätte er nicht gesagt „mein“!‹ So in dem Stil krakeelte ich noch etwa fünf Minuten, um Tsurumaki gebührend zu beeindrucken. ›Mein Wohltäter‹ oder ›mein Gönner‹ – das drängt sich doch förmlich auf! Wenn Tsurumaki schuldig ist, muß ihn das beunruhigt haben.«
Fandorin versuchte sich nachträglich zu erinnern, mit welcher Miene der Millionär seinen Ausbruch angehört hatte. Tsurumakis bärtiges Gesicht war konzentriert und ernst gewesen, die dichten Brauen zusammengeschoben. Was war das – Mißtrauen oder normales freundschaftliches Mitgefühl? Weiß der Teufel …
»Dann ›nahm ich mich zusammen‹ und sprach ruhiger. ›Verstehen Sie, lieber Freund, wäre die Duellforderung gestern gekommen, hätte ich Bullcocks ohne Zögern getötet – nicht wegen der Frau, sondern wegen seiner v-vermutlichen Verbrechen. Aber nun ist klar, daß ich mich geirrt habe und er keinerlei Verbrechen begangen hat. Bullcocks ist lediglich die beleidigte Seite und auf seine Weise vollkommen im Recht. Ich bin in sein Haus eingedrungen, habe eine P-prügelei angefangen und mit Gewalt die Frau entführt, die er liebt … Nein, ich will, ich darf ihn nicht töten. Aber ich möchte auch nicht getötet werden. Ich bin jung, ich bin glücklich verliebt. Warum sollte ich sterben? Deshalb also meine Bitte: Seien Sie mein Sekundant und helfen Sie mir, die Bedingungen für das Duell so zu formulieren, daß ich dabei weder töten noch sterben muß – selbstverständlich ohne Schaden für meine Ehre. Ich würde mir ja selbst etwas überlegen, aber im Moment funktioniert mein Kopf nicht so gut.‹ Und das können Sie mir glauben, meine Herren:Das war nicht gelogen.« Fandorin preßte die Hände an die Schläfen, schloß die Augen und gestattete sich eine kleine Pause. »Sie sehen, meine Kalkulation ist simpel. Wenn Tsurumaki derjenige ist, den ich suche, wird er zweifellos diese Gelegenheit nutzen, sich des aufdringlichen und gefährlichen Ermittlers zu entledigen. Er hat lange überlegt, ich habe geduldig gewartet …«
»Und?« fragte Doronin ungeduldig. »Ist er schuldig oder nicht?«
Fandorin seufzte.
»Ich denke, nein. Aber urteilen Sie selbst. Tsurumaki fragte: ›Können Sie gut fechten?‹ – ›Mäßig. In meiner Jugend war ich ganz gut, ich galt sogar als erster D-degen am Gymnasium, aber dann habe ich das Fechten aufgegeben. Schießen kann ich weit besser.‹ Er meinte: ›Schußwaffen töten zu leicht, Stichwaffen sind günstiger. Es genügt schon, daß Sie einen Degen halten können. Ich werde zu Bullcocks gehen und ihm sagen, daß die Wahl getroffen ist. Ablehnen kann er nicht, sich schlagen jedoch auch nicht. Er ist nämlich vor kurzem vom Pferd gefallen und hat sich das Handgelenk gebrochen. Seine Hand hat ihre frühere Gelenkigkeit eingebüßt.‹ Ich erwiderte: ›Nein, auf keinen Fall! Das ist hinterhältig!‹ Darauf Tsurumaki: ›Das wäre hinterhältig, wenn Sie die Absicht hätten, Bullcocks zu erdolchen. Doch Sie schlagen ihm nur den Degen aus der Hand, setzen ihm die Klinge an die Kehle und entschuldigen sich in dieser überlegenen Position dafür, daß Sie in sein Haus eingedrungen sind – und zwar nur dafür. Ich kümmere mich darum, daß das Duell publik wird, so daß an Zuschauern kein Mangel sein
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