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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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warum sollte ein Unternehmer, ein Wohltäter und Anhänger des Fortschritts, den Minister töten? Das will mir nicht in den Kopf …«
    Allerdings war Fandorins Kopf im Moment ohnehin kaum aufnahmefähig – so sehr war er vom Schmerz gemartert.
    »Wieso«, sagte Doronin langsam und rieb sich das Kinn, »wieso? Eigentlich ganz logisch. Tsurumaki ist Konstitutionalist, ein Anhänger des Parlamentarismus, der einem solchen Mann unbegrenzte Möglichkeiten eröffnen würde. Okubo dagegen war ein klassischer Anhänger eines aufgeklärten Absolutismus. Aus der Sicht des Herrn Tsurumaki war der Minister ein Hindernis auf dem Weg des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts – wenn Sie schon von Fortschritt sprechen. Das war nichts Persönliches. Die ›neuen Japaner‹ sind es eben gewohnt, ihre Probleme auf die einfachste und effektivste Weise zu lösen. Und effektiver geht’s nicht: Man nimmt eine Figur vom Brett, und die Partie ist gewonnen. Die technischen Möglichkeiten dazu hatte Tsurumaki durchaus. Erstens verfügt er noch aus der Zeit des Bürgerkriegs über eine eigene Garde – die sogenannten Schwarzjacken, die ihm auf Treu und Glauben dienen.« Fandorin dachte an die unsichtbaren Diener indem Anwesen auf dem Bluff. »Zweitens gehört Tsurumaki faktisch die gesamte Schattenwirtschaft von Yokohama mit ihren Spelunken und Freudenhäusern. Und das bedeutet eine enge Verbindung zur Unterwelt, zu den Yakuza.« (Ja, natürlich: das »Rakuen«, der Bucklige, dachte Fandorin.) »Und schließlich hat Tsurumaki ebenfalls aus der Zeit der Revolution enge Beziehungen zu den Samurai aus Satsuma, die mit ihm zusammen gegen die Shoguns gekämpft haben.«
    Der Konsul verstummte, offenbar am Ende seiner Argumente, doch durch seine Worte war das Gehirn des Vizekonsuls endlich wieder in Bewegung gekommen, wenn auch vorerst nur träge.
    Daß der von ihm ausgehaltene Fürst Onokoji spionierte und unzuverlässig war, wußte Tsurumaki. Durch sein Fernrohr konnte er bekanntlich nicht nur die Sterne beobachten, sondern auch das Nachbarhaus, dem Onokoji nachts häufig Besuche abstattete. Auch mit Suga war Tsurumaki bekannt …
    Nun spielte der Kapitänleutnant seinen letzten Trumpf aus.
    »Hm. Aber wissen Sie auch, meine Herren, daß Tsurumaki vor ein paar Tagen ein erstklassiges Landgut an den verstorbenen Suga verloren hat? Das hat mir der österreichische Gesandte erzählt – das Spiel fand in seiner Villa statt. Hilft diese Information uns irgendwie weiter?«
    Erstaunlich – seit der Erwähnung des Duells war sein Ton völlig verändert. Nun dominierte darin nicht Arroganz, sondern staatsmännische Sorge um die Interessen des Vaterlandes.
    O ja, diese Neuigkeit bedeutete einiges. Fandorin griff sich stöhnend an den Kopf.
    Asagawa hatte doch herausfinden wollen, wer genau das Gut an den Intendanten »verloren« hatte, aber die selbsternannten Detektive waren zu sehr in ihrem Räuber-und-Gendarm-Spiel aufgegangen. Dabei wäre das Geheimnis so leicht zu lüften gewesen.
    Wie viele verhängnisvolle, unverzeihliche Fehler!
    Nun besaßen sie keinen einzigen Beweis mehr. Alle drei Beweisstücke waren verschwunden. Der einzige Zeuge, der vieles gewußt hatte und aussagen wollte, war tot.
    Intendant Suga würde in allen Ehren beigesetzt werden. Seine Partei blieb an der Macht.
    Und der Geheimraum hinter dem Büro des Polizeipräsidenten? Dessen bloße Existenz bewies gar nichts. Darin befand sich nur ein Haufen Papierschnipsel. Asagawa hatte die belastenden Dokumente sorgfältig in so winzige Fetzen zerrissen, daß man sie nicht mehr zusammenkleben konnte.
    »Wir haben nur noch einen Trumpf«, sagte Fandorin. »Tsurumaki weiß nicht, was wir über ihn wissen.«
    »Kein sehr starker Trumpf.« Doronin zuckte die Achseln. »Wie sollten wir ihn schon nutzen?«
    »Es gibt eine Möglichkeit. Sie ist natürlich sehr riskant, aber ich würde es versuchen.«
    »Davon will ich gar nichts wissen!« unterbrach ihn der Kapitänleutnant rasch und tat, als halte er sich die Ohren zu. »Keine Details. Sie haben sich die Suppe eingebrockt, nun löffeln Sie sie auch aus. Sie haben tatsächlich nichts zu verlieren. Alles, was ich tun kann, ist, den Rapport um vierundzwanzig Stunden aufzuschieben. Aber damit Sie Bescheid wissen, Fandorin, ich schicke diesen Bericht nicht an unseren herzensguten Gesandten, sondern direkt nach Sankt Petersburg. Also, meine Herren Konsule, Sie haben genau vierundzwanzig Stunden. Entweder Sie präsentieren mir einen

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